Media4Us » Klischees https://www.media4us.de/wp Ein weiterer WordPress-Blog Mon, 23 Feb 2015 14:22:24 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=4.2.2 “Ausländer raus” https://www.media4us.de/wp/2013/01/14/auslander-raus/ https://www.media4us.de/wp/2013/01/14/auslander-raus/#comments Mon, 14 Jan 2013 09:33:29 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1107 "Kannst du dir eigentlich vorstellen, wie das ist?" So lautet die Frage, die die Schülerin Özlem jenen stellt, die sie als "Ausländerin" im eigenen Land deklassieren. Vorurteilen und Anfeindungen ausgesetzt zu sein, macht die Sache mit der Heimat noch schwieriger, als sie ohnehin schon ist. Ein Kommentar über das Hin und Her im Kopf und im Herzen.]]>

Ein Kommentar von Özlem Al, Schülerin der 10. Klasse

Menschen wie Dich verstehe ich nicht. Ganz ehrlich, in meinen Augen bist Du Dreck. Und das nicht nur, weil du was gegen uns hast, sondern schon wegen dieses Hakenkreuzes. Bist du stolz auf die Geschichte deines Landes? Wegen Leuten wie dir werden ALLE Deutschen in den Dreck gezogen!

Und jetzt zu etwas Anderem. Ich rede jetzt stellvertretend für ALLE „Ausländer“. Kannst du dir eigentlich vorstellen, wie das ist? Du kommst als türkisches Kind in Deutschland auf die Welt und am Anfang hast du nur Kontakt zu anderen ausländischen Kindern. Dann gehst Du in den Kindergarten, in die Grundschule, in die weiterführende Schule, und du merkst, irgendwie passt du hier nicht rein.

Blick auf die Heimatstadt. Duisburg © privat

Du sitzt zwischen blonden, blauäugigen Kindern und denkst dir: Habe ich was falsch gemacht? Weil dich die Leute auf der Straße komisch angucken.
Du wirst ausgelacht, weil du einmal “das” mit “der” vertauscht hast und weil deine Mutter Kopftuch trägt, und nicht zu vergessen, weil du einfach ANDERS aussiehst. Du läufst draußen rum und hörst “Scheiß Türkin!”.

Dann, nach jahrelangem Hin und Her hast du es irgendwie geschafft, auf ein Gymnasium zu kommen, und du beherrschst die deutsche Sprache besser als einige Deutsche. Du denkst, das müsste doch reichen, um als Deutsche akzeptiert zu werden. Aber nein, wieder nicht. Die Lehrer glauben nicht an dich, die Leute stempeln dich trotzdem als “asozialer Kanacke” ab. Du weißt, als „Schwarzkopf“ wirst du in diesem Land nie dieselben Rechte haben wie andere. Aber du gibst nicht auf und versuchst den Leuten das Gegenteil zu beweisen.

Viele werden jetzt sagen: “Geh doch zurück in dein Land, wenn Deutschland so scheiße ist”. Glaubt ihr wirklich, es wäre so einfach? Stellt euch vor, ihr lebt seit Jahren in diesem Land, in dem eure Eltern und Großeltern im Schweiße ihres Angesichts versucht haben, etwas aufzubauen. Ich glaube kaum, dass ihr Freunde, Verwandte, eure Umgebung, ALLES einfach hinter euch lassen könntet.

Außerdem sagt niemand, Deutschland sei scheiße. Im Gegenteil: wir sind hier geboren, aufgewachsen, wir leben hier, wir sprechen eure Sprache, wir kennen eure Sitten, WIR GEHÖREN ZU EUCH.

Aber ist es nicht trotzdem normal, die Heimat zu vermissen? Als Kleinkind bringt man dich dorthin und ALLES ist so ANDERS –  wärmer, grüner und so… Du lernst deine Verwandten kennen und hast das Gefühl, dass deine Eltern zum ersten Mal so richtig glücklich sind. Zum ersten Mal kannst auch du selbst so sein, wie es deine Kultur vorsieht. Aber dann kommt wieder die Einsicht: Hier bist du auch nicht zu Hause.

Dorfidylle. Sanfte Hügel, Sonne und Blick auf die Moschee © privat

Dort bist du Ausländer und hier bist du Ausländer und das wird sich nie ändern. Und bald musst du zurück und du wirst diese Menschen hier erst in zwei Jahren wiedersehen und es ist immer, als würde man Dir das Herz aus der Brust reißen.
Du weißt nicht, was du denken sollst, wo du zuhause bist, wer du wirklich bist und wieso wir nicht einfach normal leben können – die Welt gehört doch uns allen…

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Heimat(los)? https://www.media4us.de/wp/2013/01/14/heimatlos/ https://www.media4us.de/wp/2013/01/14/heimatlos/#comments Mon, 14 Jan 2013 08:43:18 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1092 In einem Land, in dem der sogenannte Hintergrund eines Menschen so stark im Vordergrund steht, möchte Dilan Yilmaz gar nicht erst zu den Einheimischen gehören. Die Frage „Wo gehöre ich hin“? hatte für die media4us-Autorin stets einen leicht dramatischen Beigeschmack. Das Gefühl des Fremdseins im eigenen Land hat sie lange begleitet. Ein Kommentar.]]>

Ein Kommentar von Dilan Yilmaz

Für Sinaan El Haq

Ich habe angefangen Germanistik zu studieren, weil ich mir dachte, wenn du schon in diesem Land lebst, dann wirst du die Sprache besser beherrschen als die Einheimischen. „Unglaublich“ denke ich mir heute, „wie fremd musst du dich hier gefühlt haben“.

Wie viele Migrantenkinder bin ich hier auf die Welt gekommen und habe von Anfang an ein Leben geführt, in dem die Frage „Wo gehöre ich hin“? stets einen leicht dramatischen Beigeschmack hatte. Eine Frage, die meine Persönlichkeit geprägt hat. Dabei kann ich nicht einmal behaupten, dass ich aufgrund meiner Herkunft, oder um es präziser zu benennen, aufgrund meines „Migrationshintergrundes“, persönlich angegriffen wurde. Ich weiß nur nicht recht, ob ich mich deswegen zu den Glücklichen zählen soll, denn viele meiner Freunde können dies nicht von sich behaupten. Diejenigen, deren äußeres Erscheinungsbild nicht sofort auf einen „exotischen Hintergrund“ schließen lässt, haben sie Glück im Unglück?

Ich bin in einer Familie aufgewachsen, die nicht viel von Religion hielt. Also scheine ich wieder einmal Glück im Unglück gehabt zu haben. Denn seht her: Ich durfte Schweinefleisch essen, wenn ich wollte, und ein Kopftuch musste ich auch nicht tragen, so gut ist die Integration meiner Familie geglückt. Und wie viele Migrantenkinder türkischer Herkunft können von sich behaupten, noch nie einen Fuß in die Moschee gesetzt zu haben? Ich kann es. In meiner Familie hat man sich stattdessen an die Formen der Tradition geklammert, die schon meinen Vorfahren eine gesicherte Struktur im Leben bot. Es ist z. B. Tradition bei uns, dass die Eltern entscheiden, wie man sich in der Gesellschaft zu verhalten hat. Stellt man zu viele Fragen, gilt man als „zu neugierig“, lacht man lauter als alle anderen, signalisiert das Unbedachtsamkeit. Man könnte denken, „mit der Tochter stimmt was nicht, die lacht ja ziemlich seltsam, die ist doch nicht normal“. Das würde natürlich ein schlechtes Licht auf die Familie werfen und wer will seiner Familie das schon antun? Also passt man sich an.
Die starken Konservierungsstoffe, mit denen man die wegweisenden Bräuche erhalten hat, können bei nachfolgenden Generationen aber zu allergischen Reaktionen führen. Konservierungsstoffe, die Lebensmitteln zu lang anhaltender Frische verhelfen sollen, bergen die Gefahr, sich krebserregend auszuwirken.

So ungefähr verhält es sich bei denen, die zwischen zwei Kulturen aufwachsen. Wer eine Erziehung genießt, die sich nach jahrhundertealten Traditionen richtet, hat stets mit Sinnverlusten zu kämpfen. Die Konventionen, die unser Leben mit Sinn erfüllen sollen, erweisen sich als leere Formeln, als tradierte Überzeugungen, die in der Regel nicht hinterfragt werden dürfen. Doch was passiert, wenn man wissen will, wer die Regeln vorgibt, nach der sich so viele Menschen richten und auf deren Grundlage sie ihre Kinder erziehen. Demjenigen, der nachhakt, warum es diese Regeln gibt, gilt mein herzliches Beileid.

Letztlich tragen Kinder hier den Ängsten ihrer Eltern Rechnung: Einerseits sollen sie die zukünftigen Wächter der Tradition sein, auf der anderen Seite wollen sie selbstbestimmt, frei und selbstsicher leben und zwar in dem Land, in dem sie von anderen als „Deutsche mit Migrationshintergrund“ bezeichnet werden. Manchmal sind sie Deutschtürken, manchmal deutsche Mitbürger türkischer Herkunft und neuerdings werden sie auch Neu-Deutsche genannt. Es gibt also jede Menge Bezeichnungen, die unsere Identität retten können, dem Herrgott sei Dank!

Wir sind so vieles, anscheinend nur nicht Deutsche, schlicht und ergreifend „Deutsche“. Bezeichnungen können sehr hilfreich sein, um Menschen zu klassifizieren und genauso fühlt es sich an, wenn man als Deutsche mit Migrationshintergrund bezeichnet wird, wenn einem ein Hintergrund zugeschrieben wird. Als Betroffener denkt man sich hin und wieder: „Ich bin doch gar nicht emigriert. Der einzige Weg, den ich nach der Geburt auf mich genommen habe, war die Fahrt vom Krankenhaus nach Hause.” Man tituliert hier also Menschen, deren Eltern oder Vorfahren aus einem fremden Land aus- und hier eingewandert sind. Doch inwieweit sich jemand, der hier in diesem Land das Tageslicht erblickt hat, überhaupt mit dem Land seiner Vorfahren identifiziert, ist sekundär. Merkt man nicht, dass diese Menschen unter denselben Umständen arbeiten, studieren, Steuern zahlen, die Zukunft dieses Landes formen. Wann akzeptiert man, dass Hasan und Günther, die bei Mercedes am Fließband arbeiten, mehr gemein haben, als Günther und Manfred, der sich als Finanzexperte alle paar Monate eine Auszeit mit seiner Familie in den schönsten Ländern der Welt gönnt? Und dass sich Hasan genauso sehr auf sein Feierabendbierchen freuen kann wie Günther?

Seit einigen Jahren wird hitzig über Integration debattiert. Es heißt immer wieder, Einwanderer verweigerten die Integration. Aber wer kann die Bedeutung von Integration genau definieren. Wie lauten die Parameter, an denen wir Integration messen wollen?

Dies ist kein Kommentar über misslungene Integration, das ist zumindest nicht die Intention meines Beitrags. Doch dass etwas mächtig schiefgelaufen zu sein scheint in Punkto Integration, steht außer Frage. Allerdings möchte ich abschließend folgendes kundtun: In einem Land, in dem der sogenannte  Hintergrund eines Menschen so stark im Vordergrund steht, möchte ich nicht zu den Einheimischen gehören.

„My heartbeat paves a way

I don’t really need to get away

I can be happy and stay

Cuz I belong home”

(Sinaan El Haq Hadjeri)

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Kaputte Schublade https://www.media4us.de/wp/2012/07/02/kaputte-schublade/ https://www.media4us.de/wp/2012/07/02/kaputte-schublade/#comments Mon, 02 Jul 2012 15:03:26 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=140 Schwarz soll ich sein und mich auch so nennen. So wurde es beschlossen. Aber wann fängt Schwarz an und wann hört Weiß auf? Ein Essay von Esther Donkor über Schubladendenken, Erwartungen und Klischees. Und darüber, dass so was wie "Heimat" ziemlich kompliziert sein kann.]]>

von Esther Donkor

Nachwuchsjournalistin Esther Donkor, Foto: © privat

Fünf Tage London, Camden Town. Baden in einer Masse verschiedener Kulturen.

Wohlfühlen. Fremd sein. Eine andere Sprache, andere Eindrücke. Nachts völlig müde ins Bett fallen und schlafen. Hier bin ich „Ausländerin“. Ausgeschlossen fühle ich mich nicht. Ob es daran liegt, dass ich nur einige Tage dort war, weiß ich nicht.

Zurück in Deutschland. Die Stewardessen verabschieden die Passagiere. „Auf Wiedersehen, auf Wiedersehen“. Als ich an der Reihe bin das Flugzeug zu verlassen, heißt es wie selbstverständlich „Good Bye“.

In London schalte ich den Fernseher ein und sehe schwarze Moderatorinnen. Schwarze nehmen an Gameshows teil. Asiaten, Inder, Pakistani, Juden…Im Fernsehen sind ihre Rollen nicht auf die zu ihrer „Herkunft“ und Hautfarbe passenden Stereotypen abgestimmt. Wehmütig denke ich an meine heimatlichen Fernseh- und Schauspielerfahrungen. Ich liebe die Schauspielerei. Doch die Rollen, die ich in Deutschland angeboten bekomme…

„Wir haben noch die Rolle einer Afrikanerin zu vergeben. Story: Sie ist mit einem Bayern verheiratet, spricht kaum deutsch und lebt in einem bayrischen Urdorf. Der Schwiegervater ist Nazi und vergewaltigt sie. Sie stößt ihn die Treppe runter und will zurück nach Afrika.“

„Für unser Stück suchen wir noch eine Dienerin. Du musst nicht viel machen, aber du passt so in das Bild dieser Figur. Kannst du einspringen?“

„Wir brauchen noch Inder. Biste zwar nicht, aber das passt schon. Wir kleben dir einen roten Punkt auf die Stirn und dann… Ist ja im Grunde das Gleiche.“

Eine herbe Enttäuschung. Als Teenager war mir das alles egal. Hauptsache ins Fernsehen. Je älter ich jedoch wurde, desto bitterer wurde der Beigeschmack.

Wenn ich in London sage, wo ich herkomme, heißt es: „Oh, Germany? There are many Nazis, isn’t it? I don’t really like Germans, the way they speak…The language is so hard. “

In London war es schön und ich habe meine Zeit dort sehr genossen. Solche Worte lassen mein Herz jedoch oft schneller schlagen. Dann protestiere ich. Nicht nur, weil ich unter anderem Deutsch studiere. „Germany is not bad! It is my home country!“

Ich verteidige meine Heimat im Ausland. Trotzdem fühle ich mich Zuhause oft fremd.
Mischling. So bezeichne ich mich sogar selber. Beziehungsweise, so bezeichnete ich mich. Heute herrscht bei der Bezeichnung dessen, was ich bin, auch bei mir große Erklärungsnot. Von Menschenrechtlern und in Ethikkursen wurde mir eingebläut, wie verächtlich das ist. Mischling. „Du bist doch kein Hund!“. Ja das stimmt schon. Dass ich nicht farbig bin, leuchtet mir auch ein. Schließlich kann ich an meinem Körper nirgends auch nur eine Regenbogenfarbe entdecken, außer am Daumen, der im Moment blau ist von der Tinte, die aus meinem Kugelschreiber ausgelaufen ist.

Schwarz soll ich sein und mich auch so nennen. So wurde es beschlossen.
Noah Sow spricht für mich in „Schwarz Weiß“.
Das meiste, was in den Büchern steht, ist richtig und gut. Es soll die Menschen aufklären und ihre Augen öffnen. Sie sensibilisieren. „Die meisten wollen einfach Schwarz genannt werden und nicht irgendetwas anderes und fertig!“.
Nach meiner Meinung wurde ich jedoch nie gefragt.
Ich bin nicht Schwarz, aber auch nicht Weiß. Ich weiß noch nicht einmal für was diese Begriffe stehen sollen. Auf was soll sich Schwarz und Weiß beziehen? Auf die Hautfarbe? Oder soll es doch bestimmte Eigenschaften und Stereotype ausdrücken, die mit der Optik einhergehen? Schwarz und Weiß. Zwei Seiten, die ja so verschieden sind. Ich glaube, dann wäre ich doch lieber weder noch.

Wann fängt Schwarz an und wann hört Weiß auf?
Mit der Kultur meines Vaters verbindet mich kaum etwas. Leider.
Ich bin nicht ghanaisch.
Ich bin nicht Schwarz. Oder?
In der deutschen Kultur bin ich aufgewachsen.
Ich bin deutsch.
Aber ich bin nicht Weiß. Oder?
Trotzdem.
Es wurde über meinen Kopf hinweg entschieden.

Und jetzt soll ich also Schwarz sein. Ungefragt. Komplizierte Welt.
Bei einem Vorstellungsgespräch wurde ich doch tatsächlich einmal gefragt: „Sprechen Sie überhaupt fließend Deutsch?“. Es war nach der Begrüßung die erste Frage, die mir gestellt wurde. Mein Entsetzen versetzte meine Schlagfertigkeit damals in eine Schockstarre, so dass ich mich noch heute darüber ärgere, nichts Originelles geantwortet zu haben.

Immer wieder fragen die Leute mich nach Stimme und Rhythmusgefühl. Meine Stimme ist Durchschnitt und ich bin ein choreografischer Analphabet. Trotzdem heißt es immer mal wieder: „Du musst doch gut singen können und tanzen. Sing doch mal was? Warum denn nicht? Jetzt mach doch, du musst das doch können. Shake your ass! Das habt ihr doch im Blut!“

Und es kotzt mich immer wieder an. Dieses Schubladendenken.
Als Tochter einer Europäerin und eines Afrikaners wird man leicht in die eine oder andere Schublade gesteckt. Doch mache ich selber es besser? Kann ich mich freisprechen? Ich denke nicht. Meine inneren Schubladen müssten mit Sicherheit auch mal zum TÜV. Oder vielleicht doch ganz ausgebaut werden?

Ich gehe schnell davon aus, dass Menschen, die nicht auf den ersten Blick „deutsch“ aussehen, die deutsche Sprache nicht so gut verstehen. Dann werde ich oft automatisch langsamer, einfacher wenn ich mit diesen „Ausländern“ spreche. Foreigner Talk heißt das. Oder auch sprechen im Ausländerregister. Das habe ich in der Uni gelernt. Und auch, wenn ich es weiß, ertappe ich mich immer wieder dabei.

Wenn mich jemand auf meine Haare anspricht und sie sogar anfassen will, ist mir das unangenehm. „Kannst du die denn kämmen?“, „Die sind doch schwer zu bändigen, oder?“. Wenn ich dann mal andere „Gleichgesinnte“ mit prachtvollen Mähnen auf der Straße sehe, überkommt mich selber manchmal das Verlangen in die Haarpracht zu fassen.

Mein Freund ist blond. Strohblond mit blauen Augen. Ich könnte mir auch gar nicht vorstellen jemals einen Freund zu haben, der mir optisch ähnelt. „Latinos stehen doch auch auf Blondinen!“ Gegensätze ziehen sich an. In das Klischee passe ich rein.

Bei mir fremden Speisen muss ich mich lange überwinden, bevor ich sie probiere und es gibt Menschen, die mir nicht sympathisch sind obwohl ich sie nicht kenne und nur allgemeine Images und Vorurteile über sie im Kopf habe.

Ich liebe Hip Hop und Creolen-Ohrringe. Liebe es dann in ein Klischee zu passen. Mich in dieser Schublade vollends auszubreiten und sie auszuleben. An anderen Tagen trage ich meine Brille und höre Clueso. Mainstream-Alternative.

Auch ich denke in Schubladen.
Meist unbewusst. Aber ich tue es und beschwere mich trotzdem über Zustände, die mir im alltäglichen Leben widerfahren. Dabei hebe ich mich durch mein eigenes, unabsichtliches Schubladendenken nicht sonderlich von der großen Masse ab.

„Die Identitätskrise fing an so mit 13, ich kann mich bis heut’ nicht zwischen WuTang und Metallica entscheiden“, heißt es in einem K.I.Z. Song.

Vielleicht möchte ich das auch gar nicht. In irgendeine Schublade passen. Und ich denke, darin liegt die Gemeinsamkeit die wir fast alle haben, auch wenn wir alle das eine oder andere Mal unsere inneren Schubladen öffnen.

erschienen auf www.krauselocke.de

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