von Hadija Haruna
Fachkräfte mit Migrationshintergrund haben es schwer – auch im Berliner Arbeitsmarkt. Dabei werden sie für die Wirtschaft immer wichtiger.
Zümrüt Öztürk ist Werbekauffrau und frischgebackene Medienwissenschaftlerin auf Jobsuche. Die Deutschtürkin glaubt, dass ihr Name die Suche nach einem Job beeinträchtigt. Das habe sie schon einmal erlebt. Nach dem Abitur, als sie einen Ausbildungsplatz suchte. Die 28-Jährige erinnert sich an das verstörende Gefühl, als ihr die Sekretärin Jahre nach der Ausbildung gestand, dass sie die Einladung zum Bewerbungsgespräch nur ihrem Foto zu verdanken habe. Sie war lange die einzige Mitarbeiterin mit Migrationshintergrund in ihrer Agentur. „Eigentlich sollten nur namentlich deutsch klingende Bewerber eingeladen werden. Ich hatte Glück, weil die Sekretärin mein Bild so sympathisch fand.
Selbst hoch qualifizierte Migranten haben es auf dem Arbeitsmarkt oft schwer: „Hindernisse ergeben sich nicht nur wie viel diskutiert durch fehlende Qualifizierung oder Sprachdefizite, sondern auch durch eine informelle Diskriminierung“, sagte Carola Burkert vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung jetzt auf der Fachtagung „Beyond Anerkennung – Wege zum beruflichen Erfolg für hoch qualifizierte Migranten“. Laut einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) müssen Migranten allein wegen ihres fremdländischen Namens drei- bis vier Mal so viele Bewerbungen schreiben wie Deutsche, bis sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden.
So geht Potenzial verloren, das die Region dringend braucht. Die Bilanz der Angebots- und Nachfrageseite in Berlin und Brandenburg zeigt, dass künftig rund 460 000 Arbeitsplätze nicht besetzt werden können, weil Qualifikation oder Arbeitskräfte fehlen. Das geht aus der ersten gemeinsamen „Fachkräftestudie Berlin-Brandenburg“ hervor, die Berlins Arbeitssenatorin Carola Bluhm (Linke) und Brandenburgs Arbeitsminister Günter Baaske (SPD) vor kurzem vorgestellt haben. „Das sind rund 18 Prozent der benötigten Erwerbstätigen aller Qualifikationsstufen, die bis 2030 fehlen werden, wenn keine Maßnahmen eingeleitet werden“, sagt Margrit Zauner, Referatsleiterin für berufliche Qualifizierung in der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales. Am meisten betroffen seien die Bereiche Erziehung, Lehramt und Ingenieurswissenschaft – und in den Ausbildungsberufen die Pflege, das verarbeitende Gewerbe und insbesondere der Dienstleistungsbereich, der in Berlin 80 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer ausmacht.
Der Senat hat Veranstaltungen und Projekte angekündigt, die im „Masterplan Qualifizierung“ umgesetzt werden sollen. Dieser wird bis zum Sommer von der Verwaltung sowie Wirtschafts- und Sozialpartnern erarbeitet und soll die Erwerbstätigkeit zu wenig beachteter Gruppen umfassen, darunter die Migranten.
Bereits am Montag wurde die Internet- und Plakatkampagne „Berlins Wirtschaft braucht Dich“ vorgestellt – ein Projekt, das sich an Unternehmen und Jugendliche mit Migrationshintergrund richtet. „Das sind momentan 40 Prozent der Kinder in Berlin, doch deren Ausbildungsquote ist in den letzten Jahren drastisch gesunken. Diese Entwicklung können wir uns nicht mehr leisten“, sagt Zauner.
Auch insgesamt hat die Zahl neuer Ausbildungsverträge abgenommen, wie das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg am Dienstag mitteilte. 2009 wurden in der Stadt 19 466 Lehrverträge geschlossen – 5,9 Prozent weniger als im Vorjahr. Die meisten Abschlüsse gab es in der Industrie, im Handel und im Handwerk.
Hoch qualifizierte und gering qualifizierte in Berlin geborene Migranten der zweiten Generation sind mit unterschiedlichen Problemen auf dem Arbeitsmarkt konfrontiert. Es geht aber auch um Zugewanderte. Denn wer seine Ausbildung nicht in Deutschland gemacht hat, findet noch schwerer einen Job. Viele haben sich in ihren Herkunftsländern qualifiziert und Berufserfahrung gesammelt, können aber ihr Wissen hier nicht einsetzen und landen in einer beruflichen Sackgasse. Das Problem ist die Vergleichbarkeit der Abschlüsse und deren Verwertbarkeit für den Arbeitgeber. So ist die Anerkennung von Abschlüssen der verschiedenen Migranten- und Berufsgruppen bisher unterschiedlich geregelt. Spätaussiedler beispielsweise haben ein grundsätzliches Recht auf Anerkennung ihrer Studien- und Berufsabschlüsse, nicht aber jüdische Kontingentflüchtlinge. EU-Bürger können bei einer Teilanerkennung in einem regulierten Beruf eine Eignungsprüfung oder Anpassungsqualifizierung absolvieren. Angehörige von Drittstaaten haben hingegen kein Recht auf dieses Verfahren. Auch in regulierten Berufen wie dem Arzt, Apotheker oder Rechtsanwalt endet das Verfahren häufig ohne staatliche Anerkennung. Die Folge: Qualifizierte Migranten arbeiten in fachfremden Berufen, in niedrig qualifizierten Jobs oder sind arbeitslos.
Um die bisher nicht in den Arbeitsmarkt integrierten Migranten einzubinden, müsse ihnen also der Zugang erleichtert werden, sagt Referatsleiterin Zauner. Angesichts des Fachkräftemangels hat die Bundesregierung einen Eckpunkteplan zur Verbesserung der Anerkennung von Berufsabschlüssen aus dem Ausland beschlossen. „Die Gruppe der Migranten zeigt die Schwächen des Systems ganz besonders auf. Aber auch ein Erzieher aus Baden Württemberg hat es schwer, hier in Berlin Fuß zu fassen. Das muss sich ändern“, sagt Zauner. Mittelfristig könne der Arbeitsmarkt durch effektive Weiterbildung gestützt werden, sagt Iris Pfeiffer vom Prognos-Institut. Mit weiteren Überlegungen hätte man jedoch schon viel früher beginnen sollen. „Jetzt müssen wir langfristig planen, damit die Konzepte in zehn Jahren Erfolge zeigen.“
Hadija Haruna studierte Politikwissenschaften in Frankfurt. Als Redakteurin arbeitet sie für die junge Welle des Hessischen Rundfunks (you fm) und als freie Autorin unter anderem für den Tagesspiegel, das Fluter Magazin und die ZEIT. Auf ihrer Homepage hadija-haruna.de veröffentlicht die Deutsch-Ghanaherin regelmäßig ihre Texte.
erschienen in: Der Tagesspiegel, 18. Mai 2010
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