Media4Us » NSU https://www.media4us.de/wp Ein weiterer WordPress-Blog Mon, 23 Feb 2015 14:22:24 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=4.2.2 Ein Märchen? Das NPD-Verbotsverfahren https://www.media4us.de/wp/2013/01/17/ein-marchen-das-npd-verbot/ https://www.media4us.de/wp/2013/01/17/ein-marchen-das-npd-verbot/#comments Thu, 17 Jan 2013 12:13:48 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1095 Nachdem 2003 der erste Antrag auf ein Verbot der rechtsextremen NPD gescheitert ist, hat der Bundesrat Mitte Dezember einen erneuten Versuch beschlossen. Mit neuem Beweismaterial soll das Verfahren vorm Bundesverfassungsgericht nun glücken. Ob das der richtige Weg ist, um das Rechtsextremismusproblem in den Griff zu bekommen? Ferhat Epik hat seine Zweifel.]]>

Ein Kommentar von Ferhat Epik

Nun ist es soweit. Die Bundesländer haben einstimmig beschlossen, mit dem ihnen vorliegenden Material vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen, um ein NPD-Verbot durchzusetzen.

Hurra, endlich keine Rechtsextremen mehr… Denkste !

Der Zeitpunkt kam nicht von ungefähr. Die Entscheidung für ein erneutes Verbotsverfahren fiel in eine günstige Zei: Kurz vor Beginn des Wahljahres 2013 und den Feiertagen war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die bundesrepublikanische Öffentlichkeit der Neuigkeit kaum Beachtung schenkt. Versäumt wurde so allerdings die Chance, einen ernsthaften gesellschaftlichen Diskurs über das Rechtsextremismusproblem zu führen.

Dabei ist die Situation mehr als beunruhigend. Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat erst kürzlich festgestellt, dass in Ostdeutschland 39 % der Bevölkerung manifest ausländerfeindlich denkt. Im  Westen hat immerhin jeder fünfte Bürger eine ausländerfeindliche Grundeinstellung. Die Skandale um den Nationalsozialistischen Untergrund haben daran offensichtlich nichts geändert. Kommunalpolitiker und Landesregierungen kehren die Probleme seit Jahren unter den Teppich. Die Stiftung hat mit ihrer Untersuchung genau dort Missstände offengelegt, wo das Thema am meisten totgeschwiegen wird, wo Verantwortliche Probleme weiterhin ignorieren oder leugnen.

Dabei müsste die Folgerung sein: Wir haben ein Rechtsextremismusproblem, und zwar ein gewaltiges! Die einzige Möglichkeit, dagegen anzugehen, ist eine starke Zivilbevölkerung, die in der Lage ist, Rassismus als solchen zu entlarven und zu benennen und mit demokratischen Mitteln zu bekämpfen, wo immer es geht. Aber eben diese Zivilbevölkerung scheint in manchen Gegenden unseres Landes buchstäblich braun unterwandert zu sein.

Anstatt hier anzusetzen, versuchen die Länder sich hinter einem erneuten Verbotsverfahren zu verstecken. Es werden die Symptome bekämpft, nicht aber ihre Ursachen. Mit einem Verbot wird sich das Ergebnis der Studie nicht schlagartig ändern. Aber eben das soll das Verbotsverfahren suggerieren. Symbolpolitik statt Realpolitik. Ernstes Engagement gegen Rechts sieht anders aus.

Die Innenminister der Länder werden nicht müde zu betonen, dieses Verfahren sei etwas Besonderes und unterscheide sich von dem im Jahr 2003 in einem wesentlichen Punkt. Diesmal beruhten die Informationen nicht auf Aussagen von V-Männern, sondern seien von den Behörden eigens gesammelt worden.

Wozu also – fragt man sich – benötigt es überhaupt V-Männer, wenn Informationen anscheinend auch ohne beschafft werden können?

Die Innenminister entlarven damit die Sinnfreiheit dieser Einrichtung, die nur noch durch die Islamisten-Angst in der Bevölkerung gerechtfertigt zu werden scheint. Denn auf dieser Welle lässt sich gut reiten. Es gilt zu beobachten, ob die Ersatzbefriedigung der Innenminister erfolgreich sein wird.

Ich wage eine Prognose: Das Verbot wird gelingen, tagelang werden sich die Innenminister gegenseitig auf die Schultern klopfen, die Medien machen munter mit. Die 39 %, die bleiben trotzdem.

Und dann heißt es wieder: „Rechtsextremismus ? Gibt es nicht ! Die Islamisten sind los.

Das Artikelbild entstand im Rahmen des media4us-Fotowettbewerbs “Zeig’s uns! Kulturelle Vielfalt im Bild”. © media4us, Foto: Paul Huf


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Aus den Untiefen des Untersuchungsausschusses https://www.media4us.de/wp/2012/10/09/aus-den-untiefen-des-untersuchungsausschusses/ https://www.media4us.de/wp/2012/10/09/aus-den-untiefen-des-untersuchungsausschusses/#comments Tue, 09 Oct 2012 10:01:31 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=847 Der Untersuchungsausschuss des Bundestags zur Aufarbeitung der NSU-Morde geht in eine neue Runde. Nach den Skandalen um die bewusste Vernichtung von Akten zeigt sich immer deutlicher, in welchem Umfang die hiesigen Sicherheitskräfte versagt haben. Ferhat Epik wohnte einigen Sitzungen des Gremiums bei und hat sich Gedanken über die Probleme der deutschen Sicherheitsbehörden gemacht. ]]>

Ein Kommentar von Ferhat Epik

Der Untersuchungsausschuss des Bundestages zur Aufarbeitung der NSU-Morde geht in eine neue Runde. Nach den Skandalen um die bewusste Vernichtung der vielleicht wichtigsten Akten und der Aufdeckung einiger anderer Skandale zeigt sich immer deutlicher, in welchem Umfang die hiesigen Sicherheitskräfte versagt haben.

Hier soll es aber nicht um die vom Ausschuss geleistete Arbeit gehen, über die in den unterschiedlichen Medien berichtet wird, sondern um die Probleme in unseren Sicherheitsbehörden.

Ich hatte die Gelegenheit, mehreren Sitzungen beizuwohnen.

Foto: © Ferhat Epik

Im Dschungel der Zuständigkeiten und personellen Querelen fällt es schwer den Durchblick zu wahren. Es stellt sich die Frage, warum immer erst etwas Gravierendes passieren muss, damit Veränderungen in Angriff genommen werden. Auch wenn insbesondere der Verfassungsschutz sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat, sind, wie sich zeigt, fast alle Sicherheitsbehörden von diesem Skandal betroffen. Auch die Staatsanwaltschaften dürfen vor diesem Hintergrund nicht unangetastet bleiben. Bis jetzt spielen sie in der Berichterstattung allerdings kaum eine Rolle.

Einige Politiker fordern nun die Abschaffung des Verfassungsschutzes. Das ist übertrieben und voreilig. Allerdings reichen strukturelle Reformen längst nicht aus, um die Probleme zu beheben. Wir brauchen eine Revolution in und mit den Sicherheitsbehörden und keine Reform.

Die Ausbildung:
Viele Verfassungsschützer verdienen den Namen nicht. Weder haben Sie eine sachgemäße Ausbildung genossen, noch die Möglichkeiten sich selbst auszubilden. Wir brauchen im Grunde eine sogenannte „Verfassungsschützerausbildung“. Eine Ausbildung also, die den Rekruten einzig und allein das Handwerk von Verfassungsschützern lehrt. Eine alleinige Ausbildung an Fachhochschulen für öffentliche Verwaltung reicht da nicht aus. Dies bestätigen vor allem die Aussagen von Verfassungsschützern im Untersuchungsausschuss. Auch Michael Hartmann, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, forderte dies jüngst in einem Interview.

Die Struktur:
Wer macht hier eigentlich was? Der Verfassungsschutz befindet sich im Moment in einem Vakuum. Was er macht und wie er agiert ist nur wenigen Experten bekannt. Mal bedient er sich nachrichtendienstlicher Werkzeuge zur Beschattung von Menschen. Mal führt er polizeiähnliche Einsätze zur Bewachung und Beschattung von Verfassungsfeinden durch. Ob es sich beim Verfassungsschutz nun um einen Geheimdienst oder eine Geheimpolizei handelt, ist schon lange nicht mehr klar, auch den Mitarbeitern selbst nicht. Es zeigt sich, dass dringend geklärt werden muss, welchen Auftrag der Verfassungsschutz hat und wie er sich von den anderen Sicherheitsbehörden, allen voran der Polizei, abgrenzt.

Mit der sogenannten „Neo-Nazi-Datei“ hat Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich reagiert und den ersten und notwendigen Schritt getan. Doch jede Datei ist nur so schlau wie die Daten, die eingespeist werden. Damit kommen wir zum größten Problem der Sicherheitsbehörden. Ohne verallgemeinern zu wollen: es gibt länderübergreifend eine Blindheit auf dem rechten Auge. Lange vor dem NSU-Skandal trat diese zutage. Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus beklagen seit Jahren eine Behinderung ihrer Arbeit und die Verharmlosung von rechten Straftaten durch Polizei und Behörden. Es wundert einen nicht, dass die erste Amtshandlung von Familienministerin Kristina Schröder (CDU) jene war, alle Extremisten gleichzusetzen und die Mittel gegen Rechtsextremismus so stark zu kürzen, dass viele wichtige Initiativen den Hut nehmen mussten. Zudem wurden alle Initiativen gegen Rechtsextremismus pauschal unter Linksextremismusverdacht gestellt. Dass eben diese Initiativen häufig über genauere Zahlen über rechtsextreme Straftäter verfügen als die Polizei, sei dabei nur am Rande erwähnt.

Bei der Vernehmung von Axel Mögelin, dem LKA-Ermittlungsführer in Baden-Württemberg zum Mordfall Kiesewetter klappt einem regelrecht die Kinnlade herunter. Auf die Frage, warum jahrelang sogenannte „Ziegeunerbanden“ verdächtigt wurden, hat er keine Antwort. Unmittelbar nach dem Mord an der jungen Polizistin wurden die Autobahnauffahrten in näherer Umgebung kontrolliert, Nummernschilder und Fahrzeugart notiert. In diesen Notizen kommt auch der Wohnwagen des Terrortrios vor. Obwohl Zeugen zur Tatzeit einen Wohnwagen beobachteten, wurde diese Spur nicht weiter verfolgt. Darauf angesprochen, antwortet Mögelin knapp: Das sei zu aufwendig gewesen, das wäre nicht gegangen.

Dass aber das LKA teilweise sehr aufwendig und kostspielig Spuren in Russland nachging und mit dortigen Polizeibehörden im regen Austausch stand, bleibt unerwähnt – bis der Grünen Abgeordnete Wolfgang Wieland ihm das in Erinnerung ruft. Ein Schulterzucken als Antwort.

Hier zeigt sich der Unterschied zwischen Reform und Revolution. Eine Reform ändert Strukturen, eine Revolution die Gedanken und den Geist. Eine Veränderung ist vor allem in diesem Bereich nötig. Verlorenes Vertrauen zurück zu gewinnen ist äußerst schwer. Und im Moment sieht es eher düster aus für die deutschen Sicherheitsbehörden.

 

 

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