Media4Us » Rassismus https://www.media4us.de/wp Ein weiterer WordPress-Blog Mon, 23 Feb 2015 14:22:24 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=4.2.2 Die unabhängige Justiz… https://www.media4us.de/wp/2013/04/16/die-unabhangige-justiz/ https://www.media4us.de/wp/2013/04/16/die-unabhangige-justiz/#comments Tue, 16 Apr 2013 13:08:34 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1393 Eigentlich wollte sich der media4us-Autor Ferhat Epik nicht schon wieder mit dem NSU-Prozess beschäftigen. Doch die Diskussion um die Platzvergabe an ausländische Pressevertreter treibt auch ihn um. Den Anspruch, durch den Prozess Vertrauen zurückzugewinnen, sieht er durch die Haltung des Oberlandesgerichts München aufs Spiel gesetzt. Ein Kommentar. ]]>

Ein Kommentar von Ferhat Epik

Eigentlich will ich schon gar nicht mehr darüber schreiben. Eigentlich sollte ich einfach zuhause sitzen, den Kopf dicht machen und auf leere Wände schauen. Eigentlich könnte ich anderes machen, als mir den Kopf darüber zu zerbrechen, wieso, weshalb, warum, womit. Diese Fragen schwirren aber ständig in meinem Kopf herum. Sie verfolgen mich bis in meine Träume.

Wir sind uns irgendwie alle einig. Die NSU-Morde waren grausam, scheußlich und dürfen in unserem Land nie wieder geschehen. So weit, so gut. Während sich aber ein kleiner Teil der Menschen aktiv dafür einsetzt, dass so etwas nicht noch mal geschieht, versuchen andere (zumeist aus dem rechts-konservativen Lager) zu verschleiern, was eigentlich passiert ist. Die Botschaft ist eindeutig: Links ist schlimmer als Rechts, oder mindestens genauso schlimm. Das war ein Ausrutscher, achtet auf links, links, links.

Dass jetzt die Münchner Justiz eine unrühmliche Rolle in dem Kampf übernimmt, der von rechtskonservativen Idealisten angeführt wird, und sich gegen die diejenigen stellt, die eine lückenlose Aufklärung vorantreiben wollen, zeugt nicht gerade von der Überzeugung „Vertrauen zurück gewinnen“ zu wollen.

Foto: Thorben Wengert / pixelio.de

Zuerst läuft eine Bande durch die Gegend und ermordet aus blankem Rassenhass Menschen. Dabei verschließen Polizei, Landeskriminalämter, Verfassungsschützer und vor allem Staatsanwälte die Augen. Dieser Skandal wird aufgedeckt. Und was passiert dann? Die Behörden verhindern eine lückenlose Aufklärung! Und jetzt sollen auch noch die türkischen und griechischen Medienvertreter an ihrer Berichterstattung gehindert werden. Noch nicht einmal beobachten dürfen die Betroffenen also. Aha, so viel zum Thema Transparenz.

Es hagelt Kritik von allen Seiten. Politik und Gesellschaft, ja sogar die im Saal zugelassenen Medienvertreter melden Bedenken an. Die Münchner Justiz hält aber starrsinnig an ihrem Plan fest. Nun meldet sich sogar der türkische Außenminister und fordert Plätze. Die Antwort im Wortlaut: „Lassen Sie uns in Ruhe, und versuchen Sie nicht Einfluss zu nehmen“. Was sollte denn der türkische Staat machen? Wie viele Rechtskonservativen ebenfalls die Augen verschließen? Nein, der türkische Staat tut das einzig richtige, nämlich seine eigenen Landsleute zu vertreten. Und eben da ist der Außenminister gefragt. Wer da Angst vor Einflussnahme hat, der kann sich gern unter der Bettdecke verkriechen.

Bemerkenswert ist dabei vor allem eines: Es ist die bayerische Justiz, die vor Einflussnahme Angst hat. Der Fall Mollath hat anscheinend seine Spuren hinterlassen, nicht nur bei der Justiz.

Solange der Starrsinn bestimmter Kreise und die bewusste Blindheit einiger Rechtskonservativen in unserem Land Überhand hat, wird weder eine angemessene Aufklärung stattfinden, noch wird es gelingen, den schwelenden Rassismus in den Griff zu bekommen. Das Vertrauen ist schon lange verspielt. So könnte wenigstens gerettet werden, was noch zu retten ist. Auch diese Chance droht nun vertan zu werden.

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Ein neuer Populismus https://www.media4us.de/wp/2013/03/11/ein-neuer-populismus/ https://www.media4us.de/wp/2013/03/11/ein-neuer-populismus/#comments Mon, 11 Mar 2013 08:58:16 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1328 Seit Wochen wird über Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien debattiert, genauer gesagt über Sinti und Roma. Nach dem Empfinden vieler Deutscher kommen sie in alarmierender Zahl, machen Kommunen unsicher und nutzen die Sozialsysteme aus. In der aufgeregten Debatte haben Sachlichkeit und Vernunft kaum eine Chance. Ein Beitrag von Isabel Merchan.]]>

von Isabel Merchan

Seit Wochen debattiert das Land über Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien, genauer gesagt über Sinti und Roma. Nach dem Empfinden vieler Deutscher kommen sie in alarmierender Zahl her, machen Kommunen unsicher und nutzen die Sozialsysteme aus. In dem Positionspapier „Armutszuwanderung aus Bulgarien und Rumänien“ schreibt der Deutsche Städtetag, dass „die Balance und der soziale Friede in den Städten in höchstem Maße gefährdet“ seien und nennt enorme  Zuwanderungsraten.

Anfang März forderte Hans-Werner Sinn, Präsident des Wirtschaftsinstituts ifo, der Zuwanderung von „Armutsflüchtlingen“ aus Südosteuropa „einen Riegel vorzuschieben”. Das aber dürfte schwierig sein, denn für Bulgaren und Rumänen gilt Reisefreiheit wie für andere EU-Angehörige auch. Dass 2014 die Grenzkontrollen zu den beiden Ländern entfallen sollen, schürt die Ängste weiter, denn es gibt Prognosen, nach denen dann 120 000 bis 180 000 Menschen von dort nach Deutschland kommen könnten. Inzwischen hat Innenminister Hans-Peter Friedrich auf EU-Ebene ein Veto gegen den Schengen-Beitritt von Bulgarien und Rumänien eingelegt.

In der aufgeregten Debatte haben Sachlichkeit und Vernunft kaum eine Chance. Dabei betont etwa das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI), dass „80 Prozent der Menschen, die seit Beginn der EU-Mitgliedschaft 2007 aus diesen beiden Ländern nach Deutschland gekommen sind, einer Erwerbsarbeit nachgehen. Von diesen sind 22 Prozent hochqualifiziert und 46 qualifiziert. Bei diesen Zuwanderern handelt es sich häufig um Menschen mit Berufen, die wir in Deutschland dringend benötigen“. Wie die Berliner Zeitung im Februar 2013 schrieb, sind rumänische Ärzte überproportional nach Deutschland eingewandert und praktizieren hier, was dazu geführt hat, dass Rumänien mittlerweile die niedrigste Arztdichte in ganz Europa hat.

Unterschlagen wird auch, dass nach Deutschland eingewanderte Rumänen und Bulgaren gar keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben. Das wurde bei der EU-Osterweiterung verankert, um eine „Immigration in die Sozialsysteme“ zu verhindern. Daran ändert sich auch ab 2014 nichts. Einzige Ausnahme ist das Kindergeld, das jeder EU-Bürger, der hier lebt, erhält.

Der Migrationsforscher Klaus Bade warnte in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa vor hysterischen Reaktionen auf den Zuzug von Roma aus Südosteuropa und negierte gleichzeitig eine massenhafte Armutszuwanderung nach Deutschland. „Das ist Panikmache. Das ist wieder der Appell, eine negative Koalition der Abwehr statt eine positive Koalition der Gestaltung zu schaffen“, so Bade. Verständnis für die Motive von Sinti und Roma, aus ihren Herkunftsländern auszuwandern, in denen sie häufig unter großer materieller Not und Diskriminierung leiden, zeigte Joachim Brenner. Brenner ist Geschäftsleiter des Fördervereins Roma e.V. in Frankfurt am Main und betonte in einem Interview: „Die Leute kommen aus nackter Not.“

Doch Empathie sucht man in der Debatte vergebens, zu sehr fühlen sich viele Menschen offenbar bedroht. Gespannt war die Beziehung zu den Sinti und Roma schon seit ihrer Einwanderung vor etwa 600 Jahren. Das Verhältnis zu dieser größten europäischen Minderheit, die nicht nur in Südosteuropa, sondern etwa auch in Spanien, Frankreich und Deutschland lebt, schwankte stets zwischen romantischer Verklärung und brutalster Ablehnung. Über diese Ambivalenzen hat der Bielefelder Literaturwissenschaftler Klaus-Michael Bogdal 2011 das lesenswerte Buch „Europa erfindet die Zigeuner“ geschrieben. Darin zeigt er die auf Sinti und Roma bezogenen Konstruktionen von Vorurteilen auf, deren Aktualisierung man derzeit erleben kann.

Inzwischen hat sich der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma in einem Schreiben an Bundespräsident Joachim Gauck gewendet. Beklagt wird darin ein neuer Populismus, der von Politikern betrieben werde. Dieser beinhalte Vorwürfe von “Betrug bei Sozialleistungen” und “Missbrauch der Freizügigkeit” bis zu “Asylmissbrauch” und “Kriminalität”. Der Zentralratsvorsitzende Romani Rose kritisiert in dem Schreiben, dass die gegen Roma und Sinti gerichteten Diskussionen aggressiv geführt würden und drohten, zum Wahlkampfthema zu werden. Im Weiteren bittet er Bundespräsident Gauck, mäßigend auf die Parteien einzuwirken.

 

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Immer diese Vorurteile https://www.media4us.de/wp/2013/01/17/immer-diese-vorurteile/ https://www.media4us.de/wp/2013/01/17/immer-diese-vorurteile/#comments Thu, 17 Jan 2013 12:24:27 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1149 Mit gegenseitigem Verständnis, Mut und dem Willen, kulturelle Vielfalt als Chance zu begreifen, wäre schon viel getan. Das wäre eine echte Kampfansage an Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Die Schülerin Houda Ben Said macht sich Sorgen, dass die Realität leider oft ganz anders aussieht. ]]>

Ein Kommentar von Houda Ben Said, Schülerin der 10. Klasse

Faul, unmotiviert und können noch nicht einmal die Sprache!

Sieht in der Regel nicht so das Bild des ewigen Ausländers aus? Obwohl das Gegenteil oft genug bewiesen wird, sind die Assoziationen stets dieselben: “Sie wollen nicht und sie können auch nicht(s).” Manche Menschen reden immer noch in Zeitlupe mit ihnen, weil sie automatisch davon ausgehen, dass „Ausländer“ die Sprache nicht können.

© media4us / foto: Helen Groumas – Beitrag aus dem Fotowettbewerb “Zeig’s uns!“

Wir seine aber KEINE Ausländer, wir sind Deutsche mit einem Migrationshintergrund, aber diese Bezeichnung ist anscheinend zu vornehm für uns.

Wenn Deutsche auswandern, wollen sie ein neuen Start wagen. Wenn Ausländer einwandern, sind sie auf einmal “Kanacken” und wollen lediglich von den staatlichen Leistungen profitieren. Wenn “Ausländer” etwas erreichen möchten und sich durchsetzen können, heißt es auf einmal, wir nehmen den Deutschen ihre Arbeitsplätze weg. Die Sinnlosigkeit und das Widersprüchliche solcher Aussagen nehmen die meisten gar nicht wahr. Das Einzige, was bleibt, ist ein Meer an Vorurteilen.

Vorurteile, die wir beseitigen könnten, wenn wir nur ein bisschen Geduld miteinander hätten und versuchen würden, uns in die Lage anderer hineinzuversetzen. Wir könnten so viel erreichen. Die Integration könnte so weit fortschreiten, dass man nur noch den Menschen sieht und nicht mehr das Land, aus dem er oder sie kommt. Toleranz als Waffe gegen die Grenzen, die Rassisten ziehen. Leider sitzen wir am Ende meistens aber doch nur da und hören uns die vielfältigen Vorwürfe und “Argumente” an. Wir sehen zu, wie sich der Konflikt verschärft und die Fronten sich verhärten.

Jeder sollte versuchen, sich auf den anderen einzulassen. aber stattdessen beharren viele auf ihrem Standpunkt und isolieren sich. “Die Vorurteile werden schon ihre Richtigkeit haben”, denkt man und übersieht dabei, wie viel man von anderen lernen könnte.

Kulturelle Konflikte gab es schon immer. Die kulturelle Vielfalt aber als gesellschaftliche Chance zu erkennen, das wäre die eigentliche Aufgabe. Mit ein wenig Offenheit und Überwindung könnten wir neue Kulturen kennenlernen und davon profitieren.

Nun ja, wir könnten…

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Ein Märchen? Das NPD-Verbotsverfahren https://www.media4us.de/wp/2013/01/17/ein-marchen-das-npd-verbot/ https://www.media4us.de/wp/2013/01/17/ein-marchen-das-npd-verbot/#comments Thu, 17 Jan 2013 12:13:48 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1095 Nachdem 2003 der erste Antrag auf ein Verbot der rechtsextremen NPD gescheitert ist, hat der Bundesrat Mitte Dezember einen erneuten Versuch beschlossen. Mit neuem Beweismaterial soll das Verfahren vorm Bundesverfassungsgericht nun glücken. Ob das der richtige Weg ist, um das Rechtsextremismusproblem in den Griff zu bekommen? Ferhat Epik hat seine Zweifel.]]>

Ein Kommentar von Ferhat Epik

Nun ist es soweit. Die Bundesländer haben einstimmig beschlossen, mit dem ihnen vorliegenden Material vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen, um ein NPD-Verbot durchzusetzen.

Hurra, endlich keine Rechtsextremen mehr… Denkste !

Der Zeitpunkt kam nicht von ungefähr. Die Entscheidung für ein erneutes Verbotsverfahren fiel in eine günstige Zei: Kurz vor Beginn des Wahljahres 2013 und den Feiertagen war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die bundesrepublikanische Öffentlichkeit der Neuigkeit kaum Beachtung schenkt. Versäumt wurde so allerdings die Chance, einen ernsthaften gesellschaftlichen Diskurs über das Rechtsextremismusproblem zu führen.

Dabei ist die Situation mehr als beunruhigend. Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat erst kürzlich festgestellt, dass in Ostdeutschland 39 % der Bevölkerung manifest ausländerfeindlich denkt. Im  Westen hat immerhin jeder fünfte Bürger eine ausländerfeindliche Grundeinstellung. Die Skandale um den Nationalsozialistischen Untergrund haben daran offensichtlich nichts geändert. Kommunalpolitiker und Landesregierungen kehren die Probleme seit Jahren unter den Teppich. Die Stiftung hat mit ihrer Untersuchung genau dort Missstände offengelegt, wo das Thema am meisten totgeschwiegen wird, wo Verantwortliche Probleme weiterhin ignorieren oder leugnen.

Dabei müsste die Folgerung sein: Wir haben ein Rechtsextremismusproblem, und zwar ein gewaltiges! Die einzige Möglichkeit, dagegen anzugehen, ist eine starke Zivilbevölkerung, die in der Lage ist, Rassismus als solchen zu entlarven und zu benennen und mit demokratischen Mitteln zu bekämpfen, wo immer es geht. Aber eben diese Zivilbevölkerung scheint in manchen Gegenden unseres Landes buchstäblich braun unterwandert zu sein.

Anstatt hier anzusetzen, versuchen die Länder sich hinter einem erneuten Verbotsverfahren zu verstecken. Es werden die Symptome bekämpft, nicht aber ihre Ursachen. Mit einem Verbot wird sich das Ergebnis der Studie nicht schlagartig ändern. Aber eben das soll das Verbotsverfahren suggerieren. Symbolpolitik statt Realpolitik. Ernstes Engagement gegen Rechts sieht anders aus.

Die Innenminister der Länder werden nicht müde zu betonen, dieses Verfahren sei etwas Besonderes und unterscheide sich von dem im Jahr 2003 in einem wesentlichen Punkt. Diesmal beruhten die Informationen nicht auf Aussagen von V-Männern, sondern seien von den Behörden eigens gesammelt worden.

Wozu also – fragt man sich – benötigt es überhaupt V-Männer, wenn Informationen anscheinend auch ohne beschafft werden können?

Die Innenminister entlarven damit die Sinnfreiheit dieser Einrichtung, die nur noch durch die Islamisten-Angst in der Bevölkerung gerechtfertigt zu werden scheint. Denn auf dieser Welle lässt sich gut reiten. Es gilt zu beobachten, ob die Ersatzbefriedigung der Innenminister erfolgreich sein wird.

Ich wage eine Prognose: Das Verbot wird gelingen, tagelang werden sich die Innenminister gegenseitig auf die Schultern klopfen, die Medien machen munter mit. Die 39 %, die bleiben trotzdem.

Und dann heißt es wieder: „Rechtsextremismus ? Gibt es nicht ! Die Islamisten sind los.

Das Artikelbild entstand im Rahmen des media4us-Fotowettbewerbs “Zeig’s uns! Kulturelle Vielfalt im Bild”. © media4us, Foto: Paul Huf


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“Ausländer raus” https://www.media4us.de/wp/2013/01/14/auslander-raus/ https://www.media4us.de/wp/2013/01/14/auslander-raus/#comments Mon, 14 Jan 2013 09:33:29 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1107 "Kannst du dir eigentlich vorstellen, wie das ist?" So lautet die Frage, die die Schülerin Özlem jenen stellt, die sie als "Ausländerin" im eigenen Land deklassieren. Vorurteilen und Anfeindungen ausgesetzt zu sein, macht die Sache mit der Heimat noch schwieriger, als sie ohnehin schon ist. Ein Kommentar über das Hin und Her im Kopf und im Herzen.]]>

Ein Kommentar von Özlem Al, Schülerin der 10. Klasse

Menschen wie Dich verstehe ich nicht. Ganz ehrlich, in meinen Augen bist Du Dreck. Und das nicht nur, weil du was gegen uns hast, sondern schon wegen dieses Hakenkreuzes. Bist du stolz auf die Geschichte deines Landes? Wegen Leuten wie dir werden ALLE Deutschen in den Dreck gezogen!

Und jetzt zu etwas Anderem. Ich rede jetzt stellvertretend für ALLE „Ausländer“. Kannst du dir eigentlich vorstellen, wie das ist? Du kommst als türkisches Kind in Deutschland auf die Welt und am Anfang hast du nur Kontakt zu anderen ausländischen Kindern. Dann gehst Du in den Kindergarten, in die Grundschule, in die weiterführende Schule, und du merkst, irgendwie passt du hier nicht rein.

Blick auf die Heimatstadt. Duisburg © privat

Du sitzt zwischen blonden, blauäugigen Kindern und denkst dir: Habe ich was falsch gemacht? Weil dich die Leute auf der Straße komisch angucken.
Du wirst ausgelacht, weil du einmal “das” mit “der” vertauscht hast und weil deine Mutter Kopftuch trägt, und nicht zu vergessen, weil du einfach ANDERS aussiehst. Du läufst draußen rum und hörst “Scheiß Türkin!”.

Dann, nach jahrelangem Hin und Her hast du es irgendwie geschafft, auf ein Gymnasium zu kommen, und du beherrschst die deutsche Sprache besser als einige Deutsche. Du denkst, das müsste doch reichen, um als Deutsche akzeptiert zu werden. Aber nein, wieder nicht. Die Lehrer glauben nicht an dich, die Leute stempeln dich trotzdem als “asozialer Kanacke” ab. Du weißt, als „Schwarzkopf“ wirst du in diesem Land nie dieselben Rechte haben wie andere. Aber du gibst nicht auf und versuchst den Leuten das Gegenteil zu beweisen.

Viele werden jetzt sagen: “Geh doch zurück in dein Land, wenn Deutschland so scheiße ist”. Glaubt ihr wirklich, es wäre so einfach? Stellt euch vor, ihr lebt seit Jahren in diesem Land, in dem eure Eltern und Großeltern im Schweiße ihres Angesichts versucht haben, etwas aufzubauen. Ich glaube kaum, dass ihr Freunde, Verwandte, eure Umgebung, ALLES einfach hinter euch lassen könntet.

Außerdem sagt niemand, Deutschland sei scheiße. Im Gegenteil: wir sind hier geboren, aufgewachsen, wir leben hier, wir sprechen eure Sprache, wir kennen eure Sitten, WIR GEHÖREN ZU EUCH.

Aber ist es nicht trotzdem normal, die Heimat zu vermissen? Als Kleinkind bringt man dich dorthin und ALLES ist so ANDERS –  wärmer, grüner und so… Du lernst deine Verwandten kennen und hast das Gefühl, dass deine Eltern zum ersten Mal so richtig glücklich sind. Zum ersten Mal kannst auch du selbst so sein, wie es deine Kultur vorsieht. Aber dann kommt wieder die Einsicht: Hier bist du auch nicht zu Hause.

Dorfidylle. Sanfte Hügel, Sonne und Blick auf die Moschee © privat

Dort bist du Ausländer und hier bist du Ausländer und das wird sich nie ändern. Und bald musst du zurück und du wirst diese Menschen hier erst in zwei Jahren wiedersehen und es ist immer, als würde man Dir das Herz aus der Brust reißen.
Du weißt nicht, was du denken sollst, wo du zuhause bist, wer du wirklich bist und wieso wir nicht einfach normal leben können – die Welt gehört doch uns allen…

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Heimat(los)? https://www.media4us.de/wp/2013/01/14/heimatlos/ https://www.media4us.de/wp/2013/01/14/heimatlos/#comments Mon, 14 Jan 2013 08:43:18 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1092 In einem Land, in dem der sogenannte Hintergrund eines Menschen so stark im Vordergrund steht, möchte Dilan Yilmaz gar nicht erst zu den Einheimischen gehören. Die Frage „Wo gehöre ich hin“? hatte für die media4us-Autorin stets einen leicht dramatischen Beigeschmack. Das Gefühl des Fremdseins im eigenen Land hat sie lange begleitet. Ein Kommentar.]]>

Ein Kommentar von Dilan Yilmaz

Für Sinaan El Haq

Ich habe angefangen Germanistik zu studieren, weil ich mir dachte, wenn du schon in diesem Land lebst, dann wirst du die Sprache besser beherrschen als die Einheimischen. „Unglaublich“ denke ich mir heute, „wie fremd musst du dich hier gefühlt haben“.

Wie viele Migrantenkinder bin ich hier auf die Welt gekommen und habe von Anfang an ein Leben geführt, in dem die Frage „Wo gehöre ich hin“? stets einen leicht dramatischen Beigeschmack hatte. Eine Frage, die meine Persönlichkeit geprägt hat. Dabei kann ich nicht einmal behaupten, dass ich aufgrund meiner Herkunft, oder um es präziser zu benennen, aufgrund meines „Migrationshintergrundes“, persönlich angegriffen wurde. Ich weiß nur nicht recht, ob ich mich deswegen zu den Glücklichen zählen soll, denn viele meiner Freunde können dies nicht von sich behaupten. Diejenigen, deren äußeres Erscheinungsbild nicht sofort auf einen „exotischen Hintergrund“ schließen lässt, haben sie Glück im Unglück?

Ich bin in einer Familie aufgewachsen, die nicht viel von Religion hielt. Also scheine ich wieder einmal Glück im Unglück gehabt zu haben. Denn seht her: Ich durfte Schweinefleisch essen, wenn ich wollte, und ein Kopftuch musste ich auch nicht tragen, so gut ist die Integration meiner Familie geglückt. Und wie viele Migrantenkinder türkischer Herkunft können von sich behaupten, noch nie einen Fuß in die Moschee gesetzt zu haben? Ich kann es. In meiner Familie hat man sich stattdessen an die Formen der Tradition geklammert, die schon meinen Vorfahren eine gesicherte Struktur im Leben bot. Es ist z. B. Tradition bei uns, dass die Eltern entscheiden, wie man sich in der Gesellschaft zu verhalten hat. Stellt man zu viele Fragen, gilt man als „zu neugierig“, lacht man lauter als alle anderen, signalisiert das Unbedachtsamkeit. Man könnte denken, „mit der Tochter stimmt was nicht, die lacht ja ziemlich seltsam, die ist doch nicht normal“. Das würde natürlich ein schlechtes Licht auf die Familie werfen und wer will seiner Familie das schon antun? Also passt man sich an.
Die starken Konservierungsstoffe, mit denen man die wegweisenden Bräuche erhalten hat, können bei nachfolgenden Generationen aber zu allergischen Reaktionen führen. Konservierungsstoffe, die Lebensmitteln zu lang anhaltender Frische verhelfen sollen, bergen die Gefahr, sich krebserregend auszuwirken.

So ungefähr verhält es sich bei denen, die zwischen zwei Kulturen aufwachsen. Wer eine Erziehung genießt, die sich nach jahrhundertealten Traditionen richtet, hat stets mit Sinnverlusten zu kämpfen. Die Konventionen, die unser Leben mit Sinn erfüllen sollen, erweisen sich als leere Formeln, als tradierte Überzeugungen, die in der Regel nicht hinterfragt werden dürfen. Doch was passiert, wenn man wissen will, wer die Regeln vorgibt, nach der sich so viele Menschen richten und auf deren Grundlage sie ihre Kinder erziehen. Demjenigen, der nachhakt, warum es diese Regeln gibt, gilt mein herzliches Beileid.

Letztlich tragen Kinder hier den Ängsten ihrer Eltern Rechnung: Einerseits sollen sie die zukünftigen Wächter der Tradition sein, auf der anderen Seite wollen sie selbstbestimmt, frei und selbstsicher leben und zwar in dem Land, in dem sie von anderen als „Deutsche mit Migrationshintergrund“ bezeichnet werden. Manchmal sind sie Deutschtürken, manchmal deutsche Mitbürger türkischer Herkunft und neuerdings werden sie auch Neu-Deutsche genannt. Es gibt also jede Menge Bezeichnungen, die unsere Identität retten können, dem Herrgott sei Dank!

Wir sind so vieles, anscheinend nur nicht Deutsche, schlicht und ergreifend „Deutsche“. Bezeichnungen können sehr hilfreich sein, um Menschen zu klassifizieren und genauso fühlt es sich an, wenn man als Deutsche mit Migrationshintergrund bezeichnet wird, wenn einem ein Hintergrund zugeschrieben wird. Als Betroffener denkt man sich hin und wieder: „Ich bin doch gar nicht emigriert. Der einzige Weg, den ich nach der Geburt auf mich genommen habe, war die Fahrt vom Krankenhaus nach Hause.” Man tituliert hier also Menschen, deren Eltern oder Vorfahren aus einem fremden Land aus- und hier eingewandert sind. Doch inwieweit sich jemand, der hier in diesem Land das Tageslicht erblickt hat, überhaupt mit dem Land seiner Vorfahren identifiziert, ist sekundär. Merkt man nicht, dass diese Menschen unter denselben Umständen arbeiten, studieren, Steuern zahlen, die Zukunft dieses Landes formen. Wann akzeptiert man, dass Hasan und Günther, die bei Mercedes am Fließband arbeiten, mehr gemein haben, als Günther und Manfred, der sich als Finanzexperte alle paar Monate eine Auszeit mit seiner Familie in den schönsten Ländern der Welt gönnt? Und dass sich Hasan genauso sehr auf sein Feierabendbierchen freuen kann wie Günther?

Seit einigen Jahren wird hitzig über Integration debattiert. Es heißt immer wieder, Einwanderer verweigerten die Integration. Aber wer kann die Bedeutung von Integration genau definieren. Wie lauten die Parameter, an denen wir Integration messen wollen?

Dies ist kein Kommentar über misslungene Integration, das ist zumindest nicht die Intention meines Beitrags. Doch dass etwas mächtig schiefgelaufen zu sein scheint in Punkto Integration, steht außer Frage. Allerdings möchte ich abschließend folgendes kundtun: In einem Land, in dem der sogenannte  Hintergrund eines Menschen so stark im Vordergrund steht, möchte ich nicht zu den Einheimischen gehören.

„My heartbeat paves a way

I don’t really need to get away

I can be happy and stay

Cuz I belong home”

(Sinaan El Haq Hadjeri)

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Aus den Untiefen des Untersuchungsausschusses https://www.media4us.de/wp/2012/10/09/aus-den-untiefen-des-untersuchungsausschusses/ https://www.media4us.de/wp/2012/10/09/aus-den-untiefen-des-untersuchungsausschusses/#comments Tue, 09 Oct 2012 10:01:31 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=847 Der Untersuchungsausschuss des Bundestags zur Aufarbeitung der NSU-Morde geht in eine neue Runde. Nach den Skandalen um die bewusste Vernichtung von Akten zeigt sich immer deutlicher, in welchem Umfang die hiesigen Sicherheitskräfte versagt haben. Ferhat Epik wohnte einigen Sitzungen des Gremiums bei und hat sich Gedanken über die Probleme der deutschen Sicherheitsbehörden gemacht. ]]>

Ein Kommentar von Ferhat Epik

Der Untersuchungsausschuss des Bundestages zur Aufarbeitung der NSU-Morde geht in eine neue Runde. Nach den Skandalen um die bewusste Vernichtung der vielleicht wichtigsten Akten und der Aufdeckung einiger anderer Skandale zeigt sich immer deutlicher, in welchem Umfang die hiesigen Sicherheitskräfte versagt haben.

Hier soll es aber nicht um die vom Ausschuss geleistete Arbeit gehen, über die in den unterschiedlichen Medien berichtet wird, sondern um die Probleme in unseren Sicherheitsbehörden.

Ich hatte die Gelegenheit, mehreren Sitzungen beizuwohnen.

Foto: © Ferhat Epik

Im Dschungel der Zuständigkeiten und personellen Querelen fällt es schwer den Durchblick zu wahren. Es stellt sich die Frage, warum immer erst etwas Gravierendes passieren muss, damit Veränderungen in Angriff genommen werden. Auch wenn insbesondere der Verfassungsschutz sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat, sind, wie sich zeigt, fast alle Sicherheitsbehörden von diesem Skandal betroffen. Auch die Staatsanwaltschaften dürfen vor diesem Hintergrund nicht unangetastet bleiben. Bis jetzt spielen sie in der Berichterstattung allerdings kaum eine Rolle.

Einige Politiker fordern nun die Abschaffung des Verfassungsschutzes. Das ist übertrieben und voreilig. Allerdings reichen strukturelle Reformen längst nicht aus, um die Probleme zu beheben. Wir brauchen eine Revolution in und mit den Sicherheitsbehörden und keine Reform.

Die Ausbildung:
Viele Verfassungsschützer verdienen den Namen nicht. Weder haben Sie eine sachgemäße Ausbildung genossen, noch die Möglichkeiten sich selbst auszubilden. Wir brauchen im Grunde eine sogenannte „Verfassungsschützerausbildung“. Eine Ausbildung also, die den Rekruten einzig und allein das Handwerk von Verfassungsschützern lehrt. Eine alleinige Ausbildung an Fachhochschulen für öffentliche Verwaltung reicht da nicht aus. Dies bestätigen vor allem die Aussagen von Verfassungsschützern im Untersuchungsausschuss. Auch Michael Hartmann, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, forderte dies jüngst in einem Interview.

Die Struktur:
Wer macht hier eigentlich was? Der Verfassungsschutz befindet sich im Moment in einem Vakuum. Was er macht und wie er agiert ist nur wenigen Experten bekannt. Mal bedient er sich nachrichtendienstlicher Werkzeuge zur Beschattung von Menschen. Mal führt er polizeiähnliche Einsätze zur Bewachung und Beschattung von Verfassungsfeinden durch. Ob es sich beim Verfassungsschutz nun um einen Geheimdienst oder eine Geheimpolizei handelt, ist schon lange nicht mehr klar, auch den Mitarbeitern selbst nicht. Es zeigt sich, dass dringend geklärt werden muss, welchen Auftrag der Verfassungsschutz hat und wie er sich von den anderen Sicherheitsbehörden, allen voran der Polizei, abgrenzt.

Mit der sogenannten „Neo-Nazi-Datei“ hat Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich reagiert und den ersten und notwendigen Schritt getan. Doch jede Datei ist nur so schlau wie die Daten, die eingespeist werden. Damit kommen wir zum größten Problem der Sicherheitsbehörden. Ohne verallgemeinern zu wollen: es gibt länderübergreifend eine Blindheit auf dem rechten Auge. Lange vor dem NSU-Skandal trat diese zutage. Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus beklagen seit Jahren eine Behinderung ihrer Arbeit und die Verharmlosung von rechten Straftaten durch Polizei und Behörden. Es wundert einen nicht, dass die erste Amtshandlung von Familienministerin Kristina Schröder (CDU) jene war, alle Extremisten gleichzusetzen und die Mittel gegen Rechtsextremismus so stark zu kürzen, dass viele wichtige Initiativen den Hut nehmen mussten. Zudem wurden alle Initiativen gegen Rechtsextremismus pauschal unter Linksextremismusverdacht gestellt. Dass eben diese Initiativen häufig über genauere Zahlen über rechtsextreme Straftäter verfügen als die Polizei, sei dabei nur am Rande erwähnt.

Bei der Vernehmung von Axel Mögelin, dem LKA-Ermittlungsführer in Baden-Württemberg zum Mordfall Kiesewetter klappt einem regelrecht die Kinnlade herunter. Auf die Frage, warum jahrelang sogenannte „Ziegeunerbanden“ verdächtigt wurden, hat er keine Antwort. Unmittelbar nach dem Mord an der jungen Polizistin wurden die Autobahnauffahrten in näherer Umgebung kontrolliert, Nummernschilder und Fahrzeugart notiert. In diesen Notizen kommt auch der Wohnwagen des Terrortrios vor. Obwohl Zeugen zur Tatzeit einen Wohnwagen beobachteten, wurde diese Spur nicht weiter verfolgt. Darauf angesprochen, antwortet Mögelin knapp: Das sei zu aufwendig gewesen, das wäre nicht gegangen.

Dass aber das LKA teilweise sehr aufwendig und kostspielig Spuren in Russland nachging und mit dortigen Polizeibehörden im regen Austausch stand, bleibt unerwähnt – bis der Grünen Abgeordnete Wolfgang Wieland ihm das in Erinnerung ruft. Ein Schulterzucken als Antwort.

Hier zeigt sich der Unterschied zwischen Reform und Revolution. Eine Reform ändert Strukturen, eine Revolution die Gedanken und den Geist. Eine Veränderung ist vor allem in diesem Bereich nötig. Verlorenes Vertrauen zurück zu gewinnen ist äußerst schwer. Und im Moment sieht es eher düster aus für die deutschen Sicherheitsbehörden.

 

 

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“Ein Neger schießt Deutschland aus der EM” https://www.media4us.de/wp/2012/07/16/ein-neger-schiest-deutschland-aus-der-em/ https://www.media4us.de/wp/2012/07/16/ein-neger-schiest-deutschland-aus-der-em/#comments Mon, 16 Jul 2012 12:49:13 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=622 Mario Balotelli ist bekannt wie ein bunter Hund. Seine Siegespose nach dem 2:0 EM-Tor gegen Deutschland hat einen Hype im Internet ausgelöst, in dem auch rassistische Töne durchklingen. Esther Donkor hat sich das ganauer angesehen.]]>

Mario Balotelli und der Rassismus

von Esther Donkor

Mario Balotelli ist bekannt wie ein bunter Hund. Seine Siegespose nach dem 2:0 EM-Tor gegen Deutschland hat einen Hype im Internet ausgelöst. Den einen dient das als pure Belustigung, andere verleihen ihrem Missmut dadurch Ausdruck.

Foto: © Karin Schmidt / PIXELIO

Auf dem Bug der Titanic schmiegt er sich in Leonardo Di Caprios Arme oder dreht als Ballerina eine Pirouette im Tutu. Der Internet-Hype um Mario Balotelli ist groß. Nach seinem 2:0 EM-Tor gegen Deutschland dient seine Siegespose als Vorlage für zahlreiche diffamierende Karikaturen, die sich wie ein Lauffeuer im Internet verbreiten. Den einen dienen die Bilder als pure Belustigung, andere verleihen ihrem Missmut dadurch Ausdruck. „Eingebildeter Poser“, „Trikot ausziehen ist verboten….und dann stellt er sich noch wie so ein Held dahin und zeigt wie toll er doch ist“, „Einfach nur affig“ – Kommentare unter den Bildbearbeitungen zeigen, was einige soziale Netzwerkler von Balotellis muskelbepacktem Ausdruck halten.

„Einfach nur affig“? – Bereits vor dem Start der Fußball-Europameisterschaft macht der 21-Jährige deutlich, was er von derartigen Tiervergleichen hält: „Ich werde Rassismus nicht hinnehmen. Wenn mich jemand auf der Straße mit einer Banane bewirft, werde ich ins Gefängnis gehen müssen, weil ich denjenigen umbringen werde“. Eine ernstzunehmende Abwehrhaltung gegen rassistische Anfeindungen oder die völlig übertriebene Morddrohung eines ohnehin aggressiven Fußballrowdys?

Verschrien als der Bad Boy des Fußballs macht der Manchester City Spieler regelmäßig mit Skandalen auf sich aufmerksam. 2010 prügelt er sich mit seinem Mannschaftskollegen Jerome Boateng (ManCity), 2011 zündet er Feuerwerkskörper in seinem Badezimmer und wirft mit Dartpfeilen auf Jugendspieler. Hinzu kommt sein provokantes Auftreten, das stark an das eines Rappers in einem klischeehaften HipHop-Video erinnert: Teure Autos, sexy Frauen (seine Ex-Freundin ist Model Raffaela Fico, die ein Kind von ihm erwarten soll), auffällige Frisur, funkelnde Ohrringe und ein muskulöser Körper, den er als Sahnehäubchen nach dem 2:0 gegen Deutschland stolz auf dem Spielfeld präsentiert. Da scheint für viele EM-Beobachter die Kritik im Netz durchaus berechtigt, macht er sich durch sein Gehabe doch selber zur Zielscheibe. „Typisch Macho“.

Bereits nach der von Balotelli ausgesprochenen Morddrohung häufen sich auch rechte Kommentare im Netz. „So sind sie die Neger. Keinen Sinn für Verhältnismäßigkeit, da deren Intellekt verhältnismäßig arm ausgebildet ist. Das Bewerfen mit einer Bananenschale ist im Negergehirn also einem Todesurteil des Kontrahenten gleichzusetzen. Kein Wunder, dass diese Bimbos in ihren Heimatgebieten nichts auf die Reihe bekommen und sich nur gegenseitig abschlachten.“ Nach dem endgültigen Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft herrscht gar Fassungslosigkeit in rechten Kreisen: „Ein Neger schießt Deutschland aus der EM“.

Foto: © Rike / PIXELIO

Solche Kommentare sind keinesfalls Ausnahmen. Sie kommen nicht nur von beleidigten, deutschen Fußballfans, die sich über das EM-Aus ihrer Nationalelf ärgern.

Als Sohn ghanaischer Eltern wächst Mario Barwuah Balotelli in einer italienischen Pflegefamilie auf. Mit 18 Jahren nimmt er die italienische Staatsbürgerschaft an. Trotzdem beherrscht der Alltagsrassismus das Leben des jungen Kickers seit seiner Kindheit. Die Angriffe werden durch die jüdische Herkunft seiner Mutter Silvia nur bestärkt. “Balotelli ist schwarz und er ist Jude. Er sollte für Israel und nicht für Italien spielen.”

Rassistische Attacken aufgrund seiner Hautfarbe und seiner vermeintlichen Herkunft, Pfiffe, Angriffe, Hassgesänge und Affenlaute bei fast jedem Fußballspiel – selbst während der EM 2012 müssen Ordner eine Banane vom Spielfeld entfernen, die von Fußballfans auf Balotelli geworfen wurde.

Auf deutscher Seite ärgert man sich über das Ausscheiden der Nationalmannschaft. In Italien macht der 2:1 Sieg Balotelli zum Helden. Mit zwei Toren schießt er sich in die Herzen der Italiener. Er wird gefeiert und umjubelt, Rassismus scheint es in diesem Moment nie gegeben zu haben. Trotzdem jubelt der Held nicht. Seine Pose demonstriert viel mehr Stärke, Standhaftigkeit, ein großes Ego, Stolz und Kampfgeist. Eine harte Schale, die von Nöten ist, um tägliche Anfeindungen zu meistern?

Neben Balotelli-Karikaturen, Witzen und rechten Kommentaren findet man auch folgendes Statement im Netz, das von dem Fußballspieler selbst stammt:

„I am a naturalised Italian but I’m from Ghana. I was abandoned by my parents and adopted by two angels. I suffer with racism every day. I am the first black to wear the jersey of Italy. I’m not angry but my life experiences make me act differently from other people. Try to learn more before you criticise me!”

Quellen u. a.: Facebook, Youtube, Spiegel.de, politikforen.net, israel-nachrichten.com

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