Media4Us » Sprache https://www.media4us.de/wp Ein weiterer WordPress-Blog Mon, 23 Feb 2015 14:22:24 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=4.2.2 „Heimwärts“ – Einmal Ausland und zurück? https://www.media4us.de/wp/2013/02/25/heimwarts-einmal-auswarts-und-zuruck/ https://www.media4us.de/wp/2013/02/25/heimwarts-einmal-auswarts-und-zuruck/#comments Mon, 25 Feb 2013 10:51:31 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1371 Im Dokumentarfilm "Heimwärts" erzählen die Regisseurinnen Rita Bakacs, Masayo Kajmura und Graziella Tomasi vom Leben ihrer Eltern, die vor vielen Jahren eingewandert sind. Die Frage nach der Heimat, nach der Vergangenheit und der Zukunft stellt sich unterschiedlich und doch verbindet die Geschichten vieles miteinander. Mimoza Troni hat sich den Film für media4us angeschaut. ]]>

von Mimoza Troni

Drei Töchter dokumentieren das Leben ihrer Eltern im Ausland und wie sie wieder zurückkehren. Ein Leben zwischen damals und heute, zwischen Vergangenheit und Zukunft. Und die Frage nach der Heimat.

Gastarbeiter, politische oder wirtschaftliche Flüchtlinge – es fallen einem viele Begriffe ein, um Einwanderung zu beschreiben. Und dennoch haben alle Geschichten mit derartigen Hintergründen eines gemeinsam: Das Gefangensein zwischen zwei Leben, zwischen zwei Welten und zwischen Vergangenheit und Zukunft. Dieses „Dazwischen“ wird nun in dem Film „Heimwärts“ von Rita Bakacs, Masayo Kajmura und Graziella Tomasi aufgegriffen. Die drei Regisseurinnen sind die Töchter von Paaren, die eingewandert sind. Nun haben sie eine Dokumentation über ihre Eltern gedreht.

Drei Leben – eine Geschichte?
Ritas Eltern zum Beispiel lebten 22 Jahre in einer deutschen Provinz. Ihre Mutter Àgnes erklärt Rita, dass das Leben in Deutschland eine große Chance war. Gemeinsam mit ihrem Mann Péter hatte sie ihre Heimat, Ungarn, verlassen, um in Deutschland zu arbeiten – aber immer mit dem Gedanken zurückzugehen. Irgendwann. „In Ungarn hättet ihr von euren Deutschkenntnissen profitiert“, sagt Ágnes. Aber dazu kam es nicht, denn die Kinder beendeten ihre Schule und studierten in Deutschland. Also blieben sie hier. Szenenwechsel: Großstadt, Lärm und eine S-Bahn, die gerade am Berliner Alexanderplatz hält. Im Fokus steht Michiko Kajimura, die zusammen mit ihrem jetzigen Mann im Zuge der Studentenbewegung in den 1960er Jahren Japan verließ. Beide waren seitdem politisch aktiv – in Deutschland für die japanische Gesellschaft. Der Vater, Tachiro Kajimura, sagt, sie wollten sich das Leben in Deutschland anschauen, aber sie hatten eigentlich nicht vor hier zu bleiben. Wieder ein Szenenwechsel: Eine idyllische, ländliche Straße in Holland. 1962 kamen Tomasi und Rosetta als Gastarbeiter hierher. „In dieses regnerische Land“, wie sie ihre ersten Eindrücke beschreibt. Sie und ihr Mann verbrachten 40 Jahre in den Niederlanden – und bauten gleichzeitig an ihrem Haus unter der Sonne, um irgendwann dorthin zurückzukehren.

Neugier der Töchter entfacht Erinnerungen der Eltern
Es ist ein persönlicher Dokumentarfilm, dessen Einfachheit überzeugt: Es gibt keine gestellten Szenen, keine Erzählerstimme, die kommentiert, nur eine Kamera, die beobachtet und aufnimmt, wenn die Eltern erzählen. Am Bildschirm läuft die Übersetzung ins Deutsche als Untertitel – man muss also mitlesen, um zu verstehen, was die Eltern sagen. Und dennoch sprechen die Szenen für sich. Sie zeigen den Alltag dreier Familien, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Und dennoch haben sie eines gemeinsam: Die Gedanken schweigen zwischen alter und neuer Heimat. Die Neugier der drei Töchter lässt diese Gedanken laut werden. So unterschiedlich die Anfänge waren, so verschieden enden die drei Migrationsgeschichten. Mehr oder weniger zufriedenstellend.

Die Rückkehr in die Heimat und die Frage nach dem Sinn

Filmstill: Ágnes und Péter auf der Rückfahrt nach Ungarn

Ágnes und Péter kehren zurück nach Ungarn. Mit dem Auto geht es durch halb Europa. Sie hören dabei deutsche Schlagermusik: „Viva Colonia- Wir lieben das Leben, die Liebe und die Lust“ strömt es aus dem Radio und Péter singt mit. Zurück in ihrer Heimat wollen sie sich um ihre alten Mütter kümmern. Als Ágnes Mutter sechs Monate später stirbt, macht sie sich Gedanken: „Früher kamen wir nach Ungarn, um unsere Eltern zu besuchen, nun leben wir ganz alleine hier. Unser Kinder und Enkelkinder sind fast 2000 km entfernt. Was hat das für einen Sinn?“ Für Michiko und Taichiro findet das Leben in Deutschland statt. Müsste sie nach Japan zurückkehren, würde sie sich in eine Zeit von vor 30 bis 50 Jahren zurückversetzt fühlen, sagt Michiko. Und Rosetta lebt in ihrem Haus in Sardinien. Unter der Sonne, unter alten Bekannten. Aber auch alleine, denn ihr Mann ist inzwischen verstorben. Ihre Tochter Graziella holt sie noch einmal zurück nach Holland. Alte Erinnerungen werden wach, wenn sie die alte Nachbarschaft erkunden und ehemalige Nachbarn besuchen. Eine Rückkehr in das alte Leben – für wenige Tage. Schön sei es gewesen, noch einmal würde sie aber nicht hier leben wollen. Sie bleibt lieber daheim.

Heimat also – aber wo ist das? Im Film „Heimwärts“ wird der Zuschauer eingeladen, anhand dreier Lebensgeschichten, unterschiedliche Heimatempfindungen und das innere Dilemma des zeitweisen oder dauerhaften Auswanderns nachzuvollziehen.

 

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Bildung als Lebenselixier https://www.media4us.de/wp/2013/02/25/bildung-als-lebenselixier/ https://www.media4us.de/wp/2013/02/25/bildung-als-lebenselixier/#comments Mon, 25 Feb 2013 08:04:24 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1342 Gut geführte Buchläden sind wie kleine Oasen. Manchmal entdeckt man viel mehr als spannende Geschichten und fremde Welten. Ein Buchladen kann auch Begegnungsort sein, an dem Sprachen und Kulturen aufeinandertreffen und sich miteinander verbinden. So wie in der Karl-Marx-Straße in Berlin. Ein Besuch von Samed Balkir]]>

von Samed Balkir

Mitten im Herzen von Neukölln, in der Karl-Marx Staße, befindet sich der türkisch-deutsche Buchladen von Frau Tülin. Er ist klein, aber fein. „Wir bringen die Leute zum Lesen.“, sagt die charismatische Besitzerin. Mit Entschlossenheit und Leidenschaft arbeitet sie daran, die Menschen für Bücher zu begeistern, sie kümmert sich darum, dass sie ihre Türkisch- und Deutschkenntnisse erweitern. Frau Tülin berichtet von türkischen Migranten, die in Deutschland leben, aber weder die türkische noch die deutsche Sprache richtig beherrschen. Sie sieht es als notwendig an, dass Eltern ihren Kindern immer wieder Bücher kaufen und ihnen beide Sprachen beibringen – deutsch und türkisch. „Zusammen müssen wir diesen Weg gehen, denn nur so können wir es schaffen.“

© Samet Acar

 

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Immer diese Vorurteile https://www.media4us.de/wp/2013/01/17/immer-diese-vorurteile/ https://www.media4us.de/wp/2013/01/17/immer-diese-vorurteile/#comments Thu, 17 Jan 2013 12:24:27 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1149 Mit gegenseitigem Verständnis, Mut und dem Willen, kulturelle Vielfalt als Chance zu begreifen, wäre schon viel getan. Das wäre eine echte Kampfansage an Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Die Schülerin Houda Ben Said macht sich Sorgen, dass die Realität leider oft ganz anders aussieht. ]]>

Ein Kommentar von Houda Ben Said, Schülerin der 10. Klasse

Faul, unmotiviert und können noch nicht einmal die Sprache!

Sieht in der Regel nicht so das Bild des ewigen Ausländers aus? Obwohl das Gegenteil oft genug bewiesen wird, sind die Assoziationen stets dieselben: “Sie wollen nicht und sie können auch nicht(s).” Manche Menschen reden immer noch in Zeitlupe mit ihnen, weil sie automatisch davon ausgehen, dass „Ausländer“ die Sprache nicht können.

© media4us / foto: Helen Groumas – Beitrag aus dem Fotowettbewerb “Zeig’s uns!“

Wir seine aber KEINE Ausländer, wir sind Deutsche mit einem Migrationshintergrund, aber diese Bezeichnung ist anscheinend zu vornehm für uns.

Wenn Deutsche auswandern, wollen sie ein neuen Start wagen. Wenn Ausländer einwandern, sind sie auf einmal “Kanacken” und wollen lediglich von den staatlichen Leistungen profitieren. Wenn “Ausländer” etwas erreichen möchten und sich durchsetzen können, heißt es auf einmal, wir nehmen den Deutschen ihre Arbeitsplätze weg. Die Sinnlosigkeit und das Widersprüchliche solcher Aussagen nehmen die meisten gar nicht wahr. Das Einzige, was bleibt, ist ein Meer an Vorurteilen.

Vorurteile, die wir beseitigen könnten, wenn wir nur ein bisschen Geduld miteinander hätten und versuchen würden, uns in die Lage anderer hineinzuversetzen. Wir könnten so viel erreichen. Die Integration könnte so weit fortschreiten, dass man nur noch den Menschen sieht und nicht mehr das Land, aus dem er oder sie kommt. Toleranz als Waffe gegen die Grenzen, die Rassisten ziehen. Leider sitzen wir am Ende meistens aber doch nur da und hören uns die vielfältigen Vorwürfe und “Argumente” an. Wir sehen zu, wie sich der Konflikt verschärft und die Fronten sich verhärten.

Jeder sollte versuchen, sich auf den anderen einzulassen. aber stattdessen beharren viele auf ihrem Standpunkt und isolieren sich. “Die Vorurteile werden schon ihre Richtigkeit haben”, denkt man und übersieht dabei, wie viel man von anderen lernen könnte.

Kulturelle Konflikte gab es schon immer. Die kulturelle Vielfalt aber als gesellschaftliche Chance zu erkennen, das wäre die eigentliche Aufgabe. Mit ein wenig Offenheit und Überwindung könnten wir neue Kulturen kennenlernen und davon profitieren.

Nun ja, wir könnten…

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Immigrants: Approach, Hardships and Remedies https://www.media4us.de/wp/2013/01/09/immigrants-approach-hardships-and-remedies/ https://www.media4us.de/wp/2013/01/09/immigrants-approach-hardships-and-remedies/#comments Wed, 09 Jan 2013 13:35:31 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1075 Habib Ur Rehman hat sich mit den Anforderungen und Problemen beschäftigt, die Migranten bei ihrem Start in einem neuen Land begegnen können. Viele Risiken sind mit dem Verlassen der alten und dem Ankommen in der neuen Heimat verbunden. Dass die Gesellschaft von hohem Wettbewerbsdruck geprägt ist, macht die Sache nicht einfacher. Ein Kommentar in englischer Sprache.]]>

by Habib Ur Rehman

It is very difficult to leave one’s home, family and friends just for the sake of a better future, but it has been done in all ages and the process is still going on. On the other hand, getting settled into a strange culture and society is a big deal but those who take risks often succeed.

In most cases the first and basic hurdle faced by an immigrant in a new country is the language barrier. Even if a person holds a degree in his or her native country communicating in a foreign language still forms a huge handicap. He or she has to struggle to communicate in every-day situations like shopping, travelling, consulting a doctor, visiting an office etc.

During the past year I have met many immigrants who are, unfortunately, unable to speak the local language well despite of the fact that some have been living here for more than 10 to 15 years. This shows that learning the local language never had a high priority for them. However, a basic language course in my opinion is absolutely essential for immigrants. Interaction with local people, reading books, newspapers, magazines and watching local television channels may also help to improve the language.

Another thing or complaint that is often heard from immigrants is the lack of job opportunities. This complaint may hold weight but it should also be noted that in today’s highly competitive society a high school or even college degree is no guarantee for getting a good job. One should have to be skilled enough to meet the requirements and merit. I have observed that persons with an immigrant background tend to set simple goals which can easily be achieved. For example, their priority is to get a job as soon as possible. Immigrants seem to have little access to the higher and more competitive fields of science and technology, for example. It is an open secret that immigrants from many countries have been living in Germany for decades and all of them are being provided the same educational facilities. But unfortunately, after going through the list of Nobel Prize winners from Germany, I am unable to find a single name suggesting immigrant background from non-European countries who received this prestigious prize for decades.

In these competitive times those who lack access to certain fields may suffer in the end.

Artikelbild: © media4us / foto: Sabine Hoffmann – Beitrag aus dem Fotowettbewerb “Zeig’s uns!“

 

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Identität – Eine Frage der Definition? https://www.media4us.de/wp/2012/11/16/identitat-eine-frage-der-definition/ https://www.media4us.de/wp/2012/11/16/identitat-eine-frage-der-definition/#comments Fri, 16 Nov 2012 11:25:24 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=927 Politik und Gesellschaft setzen häufig Begriffe, die sich wie selbstverständlich in den eigenen Wortschatz einspeisen. Der sogenannte "Migrationshintergrund" ist solch ein Begriff. Was bedeutet er eigentlich genau und welche Konsequenzen hat seine Verwendung für die eigene Identitätsfindung? Candan Bayram-Neumann hat über diese Fragen nachgedacht.]]>

Von Candan Bayram-Neumann

In den letzten Tagen habe ich oft über den Begriff ‚Migrationshintergrund’ gesprochen. Und nicht, wie man vielleicht erwarten würde, mit Menschen, auf die dieser Begriff vermeintlich zutrifft, sondern mit Deutschen ohne offenkundigen Migrationshintergrund. Der gleichlautende Tenor war, dass dieser Begriff “überhaupt nicht geht”. Oft begleitet von der Frage, was er überhaupt aussagen soll? Eine interessante Frage, dachte ich, und machte mich an die Recherche. An deren Ende wurde mir klar, dass ich selbst immer mit einem Begriff hantiert hatte, den ich im Kern nicht verstehe.

© media4us / Beitrag aus dem Internationalen Fotowettbewerb

Aber als Kind türkischer Einwanderer musste dieser Begriff wohl auf mich passen, natürlich, denn ich bin keine Deutsche mit deutsch-deutschem Hintergrund. Ich habe mit der allgemeinen und medialen Präsenz dieses Begriffs, der oft mit Begriffen wie ‚Migranten’ oder ‚Einwanderern’ oder diversen Bindestrich-Bezeichnungen durcheinander geworfen wird, angenommen, dass dieser auf mich und viele andere zutrifft. Heute empfinde ich das als Etikett, das meine Identität für andere definieren soll. Denn darum geht es dabei : um eine Definition von außen. Mich selbst hat die Frage nach meiner Zugehörigkeit oder meiner Identität eigentlich nie beschäftigt. Mit steigender Präsenz in den Medien wurde mir jedoch klar, dass ich mich dem nicht entziehen konnte. ‚Man’ hatte nun institutionell, gesellschaftlich und medial beschlossen, was ich bin, zu welcher Gruppe ich gehöre. “Widerstand ist zwecklos” kam mir á la Star Trek in den Sinn.

Aber mein eigenes Selbstverständnis und das vieler anderer Menschen, die ich kenne, war immer und ist, dass ich als genau die Person, die ich bin, mit meiner Bi-Kulturalität und meinen zwei Muttersprachen, natürlicherweise zu dieser Gesellschaft gehöre, in der ich geboren und aufgewachsen bin, studiert und geheiratet habe, lebe und arbeite. Es gibt neben all den Menschen, die sich damit beschäftigen, also auch viele, die sich nicht die Frage stellen, wohin sie gehören und sich nicht über ihren ‚Migrationshintergrund’ definieren. Die Identitätsfindung ist ein sehr persönlicher Prozess. Er wird jedoch oft von außen beeinflusst, in diesem Fall z. B. indem Kriterien für soziologische Forschungen oder statistische Zwecke festgelegt werden, die sagen, was uns zu dem macht, was wir sind.

Das statistische Bundesamt definiert Menschen mit Migrationshintergrund u. a. dadurch, dass diese Personen nach 1949 nach Deutschland eingewandert sind oder dass, gerade in Bezug auf die Nachkommen dieser Migranten, der Geburtsort mindestens eines Elternteils außerhalb Deutschlands liegt. Und genau hier liegt meiner Meinung nach der große Fehler. Ich frage mich, wieso mich ausschließlich der Geburtsort meiner Eltern definiert. Die Heimat meiner Eltern mag nicht die gleiche sein wie meine. Aber warum gehen Politik und Gesellschaft überhaupt davon aus, das müsste immer so sein? Und wundern sich dann, dass es bi-kulturelle Menschen gibt, die hier leben, aberDeutschland nicht als ihre Heimat bezeichnen.

Sollten wir uns als Gesellschaft nicht fragen, ob die öffentlichen Diskussionen darüber, dass es Deutsche auf der einen Seite und dann jene “Anderen” gibt, die einen Migrationshintergrund haben und damit automatisch keine “Deutschen” sind, auch dazu führen könnte, dass wir einen Teil unserer Gesellschaft ausschließen und dazu bringen, sich der Kultur ihrer Eltern eher zugehörig zu fühlen? In einer Gesellschaft, in der Vielfalt in allen Bereichen vorhanden und erwünscht ist, müssen die Diskussionsgrundlage und die öffentliche Wahrnehmung geändert werden, denn wir sind nicht alle gleich. Dass wir noch immer diskutieren, woher ein Mensch oder seine Eltern kommen oder die Frage nach den Wurzeln so stellen, dass damit eher die Nicht-Zugehörigkeit zur Mehrheitsgesellschaft ausgedrückt wird, haben wir noch einen langen Weg vor uns. Erst wenn wir an den Punkt kommen, an dem die kulturelle Vielfalt eines Mitmenschen seinen Platz in unserer Gesellschaft nicht in Frage stellt, haben wir es geschafft. Dann haben wir erreicht, was die europäischen Staaten seit langem auf EU-Ebene versuchen und die Globalisierung mit sich bringt: dass wir Europäer, dass wir Weltbürger sind, die überall auf der Welt zu Hause sein können mit einer Identität, die kein Etikett braucht.

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Weissu – is krasse Sprache! https://www.media4us.de/wp/2012/06/28/weissu-is-krasse-sprache/ https://www.media4us.de/wp/2012/06/28/weissu-is-krasse-sprache/#comments Thu, 28 Jun 2012 15:03:04 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=174 In der Clique, auf dem Schulhof, im Viertel: Überall kann eine eigene Sprache entstehen. Gerade Jugendliche verändern das Hochdeutsch kreativ, um sich abzugrenzen, oder einfach aus Spaß an der Sprache. Ein Lauschangriff. Von Hadija Haruna]]>

Jugendliche Migranten mischen das Hochdeutsch auf

von Hadija Haruna

In der Clique, auf dem Schulhof, im Viertel: Überall kann eine eigene Sprache entstehen. Gerade Jugendliche verändern das Hochdeutsch kreativ, um sich abzugrenzen, oder einfach aus Spaß an der Sprache. Ein Lauschangriff

„Es war ma krass frustrierte Tuss, dem hatte Stiefkind. Das hat immer in sein Spiegel geguckt un den angelabert: Spiegel, Spiegel an Wand, wer is dem geilste Tuss in Land?“ Die 17-jährige Güldem zitiert das Märchen von Schneewittchen, das es längst in einer Ethnolekt-Version gibt. So nennen Sprachforscher den verkürzten und abgehackten Sprachstil, der bundesweit auf Schulhöfen und Straßen zu hören ist. Was für viele Wissenschaftler eine kreative Entwicklung der deutschen Sprache ist, bezeichnen Kritiker abwertend als „Dönerdeutsch“ oder „Ghettoslang“. Güldem und ihren Freundinnen Samira und Simone ist das egal. Auch, dass sie von vielen als „Assis“ abgestempelt werden. Die drei Gymnasiastinnen aus Frankfurt sind in Deutschland geborene Kinder türkischer, ghanaischer und deutscher Eltern. Sie sprechen fließend Deutsch – wenn sie wollen.

Jede Zeit hat ihre Sprache, und Jugendliche haben schon immer versucht, sich durch ihre eigene abzugrenzen. In multikulturellen Großstädten wie Frankfurt oder Berlin kreieren sie ihren eigenen Jargon, der für Nichtsprecher grammatisch falsch klingt. Es gibt Studien, die belegen, dass viele der Sprecher mehrsprachig sind und – anders als vielleicht erwartet – auch gut in der Schule. „Ethnolekt ist keine Ausländersprache und unterscheidet sich in seiner Grammatik vom gebrochenen Deutsch der Gastarbeitergeneration“, sagt die Germanistin Heike Wiese von der Universität Potsdam. Vielmehr sei es eine dauerhafte Veränderung der Sprache, weil viele Jugendliche sie verinnerlichten.

Begrüßungen, Verabschiedungen, Schimpfwörter, Drohformeln oder Flirtsprüche: Im Ethnolekt schrumpft der deutsche Gesamtwortschatz kontinuierlich zusammen. Einfache Satzkonstruktionen werden aus Subjekt, Prädikat und Objekt gebildet, Artikelformen und Präpositionen weggelassen („wenn wir Hochzeit gehen“), Genera verändert („son großer Plakat“), und oft fehlen die Pronomen („die haben mir beigebracht“). Beim sogenannten Codeswitching werden mitten im Satz türkische, arabische oder serbokroatische Lehnwörter eingebunden: „yalla“ für „auf geht’s“ oder „wallah“ (bei Gott), wenn etwas mit Nachdruck versichert wird. „Isch schwör“ bekräftigt eine Aussage, alles in Ordnung heißt „Tamam“, und Einschübe wie „Lan“ oder „Moruk“ sind im Ethnolekt ebenso geläufig wie die deutsche Entsprechung: „Alda“. Außerdem zählen Ausrufe wie „weissu“, „krass“ oder „korrekt“ dazu. Wichtig bei der Aussprache ist die spezielle Stakkato-Intonation – und typisch die sogenannte Koronalisierung des Ich-Lauts: Isch, misch, disch. Ein mustergültiger Satz lautet: „Isch geh gleisch U-Bahn.“

Von der Straße auf den Bildschirm und dann wieder zurück

In Zeiten von Anglizismen und Computersprache verbringen Linguisten viel Zeit damit, Jugendlichen zuzuhören, ihre Unterhaltungen aufzuzeichnen und auszuwerten und Bücher über ihren phonetischen Sprachmischmasch zu schreiben. Sprachforscher wie der Germanist Peter Auer von der Freiburger Uni unterscheiden zwischen drei Formen des Ethnolekts: dem primären, sekundären und tertiären. Ersterer sei vor nahezu zwanzig Jahren in Großstädten entstanden, bezeichne ein unbewusstes Sprachverhalten und werde hauptsächlich von türkischstämmigen Jugendlichen der zweiten und dritten Generation gesprochen. Der sekundäre wird als mediengesteuerte Reaktion auf Ersteren verstanden, der frei erweitert, hochgradig stilisiert und in Filmen, Comedys oder Comics eingesetzt wird. Bekannte Sprecher sind Comedians wie Erkan und Stefan, das Duo Mundstuhl mit seinen Figuren Dragan oder Kaya Yanar. Letzterer etablierte die Figur des türkischen Diskotürstehers und seinen Slogan „Ey Alder, du kommst hier net rein“. Und seit Ende der Neunziger gilt das Buch „Kanak Sprak – 24 Mißtöne vom Rande der Gesellschaft“ des türkischstämmigen Schriftstellers Feridun Zaimoglu als Mainstream-Lektüre zum Thema.

Auch deutsche und drittethnische Jugendliche sprechen Ethnolekt – die tertiäre Form. Es heißt, dass sich diejenigen, die ihn dabei mit einer auffälligen Betonung überzeichnen und sich damit darüber lustig machen, von den echten Sprechern abgrenzen wollen. Nehmen sie den Ethnolekt jedoch in ihre Umgangssprache auf und unterscheiden beim Sprechen nicht mehr zwischen fremdem und eigenem Stil, wird er zum Soziolekt. Sprachforscher Jannis Androutsopoulos bezeichnet den Verlauf: „von der Straße auf den Bildschirm und wieder zurück“.

Ethnolekt ist nicht nur ein stilistisches Mittel, sondern steht charakteristisch auch für die Beziehung der Jugendlichen untereinander und ihren Versuch, ihre eigene, besondere Identität zu bestimmen. Ein Merkmal dafür sind beispielsweise verbale Duelle untereinander, die nur möglich sind in einer gefestigten Gruppe und einem gemeinsamen Wissen darüber, was erlaubt ist und was nicht. „Er signalisiert, dass sie sich zugehörig fühlen und nah sind, aber auch, dass sie sich nicht erst integrieren müssen, sondern es bereits sind“, sagt Wiese.

Auch ist Ethnolekt nicht neu oder eine rein deutsche Erscheinung. In Ländern wie Frankreich, England, Schweden stellen Linguisten ähnliche Strukturen fest. Rap sei das CNN junger Schwarzer, erklärte einst Chuck D von Public Enemy. In den Vororten Frankreichs, wo viele Menschen afrikanischer Herkunft leben, hat sich in den sechziger und siebziger Jahren die sogenannte Sprache der Banlieue entwickelt. Die salonfähige Varietät des Französischen ist wie in Deutschland medialer Inhalt geworden. Eine besondere Ausprägung davon heißt „verlan“. Dabei werden einzelne Wörter im Satz betont und verschlüsselt, indem ein Wort in Silben zerlegt und in umgekehrter Reihenfolge wieder zusammengesetzt wird. So wird bonjour zu jurbon, français zu cefran und musique zu siquema.

Wer Hochdeutsch spricht, gerät in Verdacht, arrogant zu sein

„Jede Zeit hat ihre Wörter. Manche kommen und gehen, andere halten sich“, sagt die 19-jährige Renata. Sie besucht ein Gymnasium in Berlin-Kreuzberg. Ob sich eine Floskel halte, entscheide die Mehrheit der Sprecher. Zudem käme es darauf an, in welchem Kiez man sich aufhalte. „In Wilmersdorf sagen sie andere Sachen als hier bei uns“, sagt Renata, „das Wort ‚gebügelt‘ bedeutet da ‚übertrieben‘.“ In Kreuzberg würde das niemand benutzen. In Berlin, Frankfurt und anderen Großstädten zeigt sich, dass der Ethnolekt nicht von der Herkunft oder der Muttersprache abhängig ist, sondern vom Wohnort der Sprecher – und dem, was gerade angesagt ist. Das sagt auch Renatas Freundin Betül: „,Mies‘ ist gerade angesagt in Kreuzberg.“ Es bedeutet so viel wie „abgefahren“ oder „der Hammer“. Begriffe wie „cüs“ (türkisch für pfui) oder „Bombe“ hingegen hätten ausgedient.

„Wir wissen, wie wir mit wem reden müssen. Mit einem Lehrer oder meinen Eltern würde ich nicht so sprechen. Aber nicht alle könnten switchen“, sagt Samira aus Frankfurt, die mühelos zwischen Ethnolekt und Standarddeutsch (Hochdeutsch) hin und her wechseln kann. Die 17-Jährige glaubt, dass es auf die sprachlichen Einflüsse ankommt, mit denen man aufgewachsen ist. „Manche kennen eben nur diese eine Sprache.“ Samiras Einschätzung belegen auch Untersuchungen. Und sie zeigen noch etwas anderes. Nämlich, dass für viele Außenstehende Ethnolekt oft mit Aggression und kriminellen Jugendlichen assoziiert wird. „Dass die Sprechart vielen beim Zuhören aufstößt, liegt an der generellen Einstellung gegenüber Dialekten“, sagt Wiese. Nicht nur, dass bestimmte Bilder mit ihnen assoziiert würden, sie würden auch als falsches Deutsch empfunden, weil sie nicht dem offiziellen Standarddeutsch entsprechen.

Samy, ein Kind nigerianischer Eltern, habe sich die Redeweise nach dem Wechsel von der Schule an die Uni nach und nach abtrainiert. „Anfangs habe ich die dummen Kommentare nicht ernst genommen, später hat es mich gestört“, sagt der 23-Jährige. Wie lange es gedauert habe? „Irgendwann war es weg“, sagt der Student. Es sei ein Nachteil gewesen, draußen so zu sprechen. Doch wer Standarddeutsch spreche, gerate in der Clique schnell in den Verdacht, arrogant zu sein, sagt Samira. Über diesen Punkt hat Renata noch nie wirklich nachgedacht: „Bei uns denkt keiner darüber nach, ob es falsches oder richtiges Deutsch ist.“ Zudem sei es bequemer, nicht immer ganze Sätze sagen zu müssen, ergänzt Nilüfer. „Wir verstehen uns einfach mit wenigen Worten.“

Hadija Haruna studierte Politikwissenschaften in Frankfurt. Als Redakteurin arbeitet sie für die junge Welle des Hessischen Rundfunks (you fm) und als freie Autorin unter anderem für den Tagesspiegel, das Fluter Magazin und die ZEIT. Auf ihrer Homepage hadija-haruna.de veröffentlicht die Deutsch-Ghanaherin regelmäßig ihre Texte.

erschienen in: fluter. Sommer 2011 / Nr. 39 (Thema Sprache)

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