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Jul 162012
 

Mario Balotelli und der Rassismus

von Esther Donkor

Mario Balotelli ist bekannt wie ein bunter Hund. Seine Siegespose nach dem 2:0 EM-Tor gegen Deutschland hat einen Hype im Internet ausgelöst. Den einen dient das als pure Belustigung, andere verleihen ihrem Missmut dadurch Ausdruck.

Foto: © Karin Schmidt / PIXELIO

Auf dem Bug der Titanic schmiegt er sich in Leonardo Di Caprios Arme oder dreht als Ballerina eine Pirouette im Tutu. Der Internet-Hype um Mario Balotelli ist groß. Nach seinem 2:0 EM-Tor gegen Deutschland dient seine Siegespose als Vorlage für zahlreiche diffamierende Karikaturen, die sich wie ein Lauffeuer im Internet verbreiten. Den einen dienen die Bilder als pure Belustigung, andere verleihen ihrem Missmut dadurch Ausdruck. „Eingebildeter Poser“, „Trikot ausziehen ist verboten….und dann stellt er sich noch wie so ein Held dahin und zeigt wie toll er doch ist“, „Einfach nur affig“ – Kommentare unter den Bildbearbeitungen zeigen, was einige soziale Netzwerkler von Balotellis muskelbepacktem Ausdruck halten.

„Einfach nur affig“? – Bereits vor dem Start der Fußball-Europameisterschaft macht der 21-Jährige deutlich, was er von derartigen Tiervergleichen hält: „Ich werde Rassismus nicht hinnehmen. Wenn mich jemand auf der Straße mit einer Banane bewirft, werde ich ins Gefängnis gehen müssen, weil ich denjenigen umbringen werde“. Eine ernstzunehmende Abwehrhaltung gegen rassistische Anfeindungen oder die völlig übertriebene Morddrohung eines ohnehin aggressiven Fußballrowdys?

Verschrien als der Bad Boy des Fußballs macht der Manchester City Spieler regelmäßig mit Skandalen auf sich aufmerksam. 2010 prügelt er sich mit seinem Mannschaftskollegen Jerome Boateng (ManCity), 2011 zündet er Feuerwerkskörper in seinem Badezimmer und wirft mit Dartpfeilen auf Jugendspieler. Hinzu kommt sein provokantes Auftreten, das stark an das eines Rappers in einem klischeehaften HipHop-Video erinnert: Teure Autos, sexy Frauen (seine Ex-Freundin ist Model Raffaela Fico, die ein Kind von ihm erwarten soll), auffällige Frisur, funkelnde Ohrringe und ein muskulöser Körper, den er als Sahnehäubchen nach dem 2:0 gegen Deutschland stolz auf dem Spielfeld präsentiert. Da scheint für viele EM-Beobachter die Kritik im Netz durchaus berechtigt, macht er sich durch sein Gehabe doch selber zur Zielscheibe. „Typisch Macho“.

Bereits nach der von Balotelli ausgesprochenen Morddrohung häufen sich auch rechte Kommentare im Netz. „So sind sie die Neger. Keinen Sinn für Verhältnismäßigkeit, da deren Intellekt verhältnismäßig arm ausgebildet ist. Das Bewerfen mit einer Bananenschale ist im Negergehirn also einem Todesurteil des Kontrahenten gleichzusetzen. Kein Wunder, dass diese Bimbos in ihren Heimatgebieten nichts auf die Reihe bekommen und sich nur gegenseitig abschlachten.“ Nach dem endgültigen Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft herrscht gar Fassungslosigkeit in rechten Kreisen: „Ein Neger schießt Deutschland aus der EM“.

Foto: © Rike / PIXELIO

Solche Kommentare sind keinesfalls Ausnahmen. Sie kommen nicht nur von beleidigten, deutschen Fußballfans, die sich über das EM-Aus ihrer Nationalelf ärgern.

Als Sohn ghanaischer Eltern wächst Mario Barwuah Balotelli in einer italienischen Pflegefamilie auf. Mit 18 Jahren nimmt er die italienische Staatsbürgerschaft an. Trotzdem beherrscht der Alltagsrassismus das Leben des jungen Kickers seit seiner Kindheit. Die Angriffe werden durch die jüdische Herkunft seiner Mutter Silvia nur bestärkt. “Balotelli ist schwarz und er ist Jude. Er sollte für Israel und nicht für Italien spielen.”

Rassistische Attacken aufgrund seiner Hautfarbe und seiner vermeintlichen Herkunft, Pfiffe, Angriffe, Hassgesänge und Affenlaute bei fast jedem Fußballspiel – selbst während der EM 2012 müssen Ordner eine Banane vom Spielfeld entfernen, die von Fußballfans auf Balotelli geworfen wurde.

Auf deutscher Seite ärgert man sich über das Ausscheiden der Nationalmannschaft. In Italien macht der 2:1 Sieg Balotelli zum Helden. Mit zwei Toren schießt er sich in die Herzen der Italiener. Er wird gefeiert und umjubelt, Rassismus scheint es in diesem Moment nie gegeben zu haben. Trotzdem jubelt der Held nicht. Seine Pose demonstriert viel mehr Stärke, Standhaftigkeit, ein großes Ego, Stolz und Kampfgeist. Eine harte Schale, die von Nöten ist, um tägliche Anfeindungen zu meistern?

Neben Balotelli-Karikaturen, Witzen und rechten Kommentaren findet man auch folgendes Statement im Netz, das von dem Fußballspieler selbst stammt:

„I am a naturalised Italian but I’m from Ghana. I was abandoned by my parents and adopted by two angels. I suffer with racism every day. I am the first black to wear the jersey of Italy. I’m not angry but my life experiences make me act differently from other people. Try to learn more before you criticise me!”

Quellen u. a.: Facebook, Youtube, Spiegel.de, politikforen.net, israel-nachrichten.com

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