Ein Kommentar von Ferhat Epik
Der Untersuchungsausschuss des Bundestages zur Aufarbeitung der NSU-Morde geht in eine neue Runde. Nach den Skandalen um die bewusste Vernichtung der vielleicht wichtigsten Akten und der Aufdeckung einiger anderer Skandale zeigt sich immer deutlicher, in welchem Umfang die hiesigen Sicherheitskräfte versagt haben.
Hier soll es aber nicht um die vom Ausschuss geleistete Arbeit gehen, über die in den unterschiedlichen Medien berichtet wird, sondern um die Probleme in unseren Sicherheitsbehörden.
Ich hatte die Gelegenheit, mehreren Sitzungen beizuwohnen.
Im Dschungel der Zuständigkeiten und personellen Querelen fällt es schwer den Durchblick zu wahren. Es stellt sich die Frage, warum immer erst etwas Gravierendes passieren muss, damit Veränderungen in Angriff genommen werden. Auch wenn insbesondere der Verfassungsschutz sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat, sind, wie sich zeigt, fast alle Sicherheitsbehörden von diesem Skandal betroffen. Auch die Staatsanwaltschaften dürfen vor diesem Hintergrund nicht unangetastet bleiben. Bis jetzt spielen sie in der Berichterstattung allerdings kaum eine Rolle.
Einige Politiker fordern nun die Abschaffung des Verfassungsschutzes. Das ist übertrieben und voreilig. Allerdings reichen strukturelle Reformen längst nicht aus, um die Probleme zu beheben. Wir brauchen eine Revolution in und mit den Sicherheitsbehörden und keine Reform.
Die Ausbildung:
Viele Verfassungsschützer verdienen den Namen nicht. Weder haben Sie eine sachgemäße Ausbildung genossen, noch die Möglichkeiten sich selbst auszubilden. Wir brauchen im Grunde eine sogenannte „Verfassungsschützerausbildung“. Eine Ausbildung also, die den Rekruten einzig und allein das Handwerk von Verfassungsschützern lehrt. Eine alleinige Ausbildung an Fachhochschulen für öffentliche Verwaltung reicht da nicht aus. Dies bestätigen vor allem die Aussagen von Verfassungsschützern im Untersuchungsausschuss. Auch Michael Hartmann, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, forderte dies jüngst in einem Interview.
Die Struktur:
Wer macht hier eigentlich was? Der Verfassungsschutz befindet sich im Moment in einem Vakuum. Was er macht und wie er agiert ist nur wenigen Experten bekannt. Mal bedient er sich nachrichtendienstlicher Werkzeuge zur Beschattung von Menschen. Mal führt er polizeiähnliche Einsätze zur Bewachung und Beschattung von Verfassungsfeinden durch. Ob es sich beim Verfassungsschutz nun um einen Geheimdienst oder eine Geheimpolizei handelt, ist schon lange nicht mehr klar, auch den Mitarbeitern selbst nicht. Es zeigt sich, dass dringend geklärt werden muss, welchen Auftrag der Verfassungsschutz hat und wie er sich von den anderen Sicherheitsbehörden, allen voran der Polizei, abgrenzt.
Mit der sogenannten „Neo-Nazi-Datei“ hat Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich reagiert und den ersten und notwendigen Schritt getan. Doch jede Datei ist nur so schlau wie die Daten, die eingespeist werden. Damit kommen wir zum größten Problem der Sicherheitsbehörden. Ohne verallgemeinern zu wollen: es gibt länderübergreifend eine Blindheit auf dem rechten Auge. Lange vor dem NSU-Skandal trat diese zutage. Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus beklagen seit Jahren eine Behinderung ihrer Arbeit und die Verharmlosung von rechten Straftaten durch Polizei und Behörden. Es wundert einen nicht, dass die erste Amtshandlung von Familienministerin Kristina Schröder (CDU) jene war, alle Extremisten gleichzusetzen und die Mittel gegen Rechtsextremismus so stark zu kürzen, dass viele wichtige Initiativen den Hut nehmen mussten. Zudem wurden alle Initiativen gegen Rechtsextremismus pauschal unter Linksextremismusverdacht gestellt. Dass eben diese Initiativen häufig über genauere Zahlen über rechtsextreme Straftäter verfügen als die Polizei, sei dabei nur am Rande erwähnt.
Bei der Vernehmung von Axel Mögelin, dem LKA-Ermittlungsführer in Baden-Württemberg zum Mordfall Kiesewetter klappt einem regelrecht die Kinnlade herunter. Auf die Frage, warum jahrelang sogenannte „Ziegeunerbanden“ verdächtigt wurden, hat er keine Antwort. Unmittelbar nach dem Mord an der jungen Polizistin wurden die Autobahnauffahrten in näherer Umgebung kontrolliert, Nummernschilder und Fahrzeugart notiert. In diesen Notizen kommt auch der Wohnwagen des Terrortrios vor. Obwohl Zeugen zur Tatzeit einen Wohnwagen beobachteten, wurde diese Spur nicht weiter verfolgt. Darauf angesprochen, antwortet Mögelin knapp: Das sei zu aufwendig gewesen, das wäre nicht gegangen.
Dass aber das LKA teilweise sehr aufwendig und kostspielig Spuren in Russland nachging und mit dortigen Polizeibehörden im regen Austausch stand, bleibt unerwähnt – bis der Grünen Abgeordnete Wolfgang Wieland ihm das in Erinnerung ruft. Ein Schulterzucken als Antwort.
Hier zeigt sich der Unterschied zwischen Reform und Revolution. Eine Reform ändert Strukturen, eine Revolution die Gedanken und den Geist. Eine Veränderung ist vor allem in diesem Bereich nötig. Verlorenes Vertrauen zurück zu gewinnen ist äußerst schwer. Und im Moment sieht es eher düster aus für die deutschen Sicherheitsbehörden.
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