von Mimoza Troni
Bersant Deva ist Informatikstudent aus Berlin mit kosovarischen Wurzeln, der uns einen Einblick in sein Leben gibt: Er erzählt von „der Geschichte seiner Eltern“, von Apps, mit denen man in Zukunft Nachrichten an Orte statt an Menschen verschickt und sein politisches Engagement in 2000km Entfernung. Ein Porträt.
Er ist etwas über 1,80m groß, hat braunes Haar und trägt meistens ein schüchternes Lächeln auf den Lippen. Aber wenn Bersant lacht, heißt das noch lange nicht, dass er sich auch freut.
Ein Berliner mit Lokalpatriotismus
Dieses Lächeln kann auch Skepsis vermitteln, besonders wenn wir über Integration in Deutschland reden und über das „gescheiterte Multikulti“, wie es Merkel vor zwei Jahren formuliert hat. „Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wo diese Politiker ihre Annahmen herhaben“, sagt er und ergänzt, dass das Innovationslabor der Telekom, wo er als studentische Hilfskraft arbeitet, das beste Beispiel für ein multikulturelles Miteinander sei, denn „die Hälfte der Mitarbeiter sind nicht deutsch und der Großteil spricht Englisch.“ Integration hätte aber besser laufen können, sagt Bersant und nennt Kanada, das eine kontrollierte Migration verfolgt, als Beispiel. „Da hat Deutschland einen großen Nachholbedarf“ und müsste die aktuellen Migranten besser fördern. Es sei schließlich dieser multikulturelle Charakter, der insbesondere Berlin auszeichnet, fährt er fort – wieder mit diesem Lächeln, diesmal, weil er wohl weiß, was er als Nächstes sagen wird: Seit 23 Jahren lebe er in Berlin und wenn er nach seiner Identität gefragt wird, dann sei er zu erst einmal Berliner. „Auch wirklich Berliner und mit diesem Lokalpatriotismus versehen.“
„Es ist die Geschichte meiner Eltern“
In Deutschland jedoch wird er nicht oft nach seiner Identität gefragt. „Das habe ich eher in den USA erlebt“, erzählt Bersant. Dort hat er ein Auslandssemester an der Universität in Massachusetts absolviert. Auf die Frage nach der Identität antwortet er in der Regel, dass er in Berlin lebt und studiert, aber ursprünglich aus dem Kosovo kommt. 1989 stellte die damalige jugoslawische Regierung seinen Vater als Albanisch-Lehrer in Berlin ein, damit die Teilnehmer eines Rückintegrationsprogramms die albanische Sprache nicht verlernten. Nachdem die Unruhen im Kosovo begannen und die jugoslawische Regierung unter Milosevic die albanische Bevölkerung aus dem öffentlichen Dienst ausschloss, blieben sie hier. Das sei aber „eher die Geschichte meiner Eltern und ich war einfach nur Kind“, sagt er heute.
Eine Nachricht für den Ernst-Reuter-Platz
Sein Leben heute dreht sich gerade um seine Masterarbeit. Darin geht es um locations dependent messaging, das sind Dienste, die einen Aufenthaltsort bestimmen. Bersant aber beschäftigt sich vorrangig damit, wie man zukünftig Nachrichten an Orte anstelle von Menschen verschicken wird. In Bersants Worten heißt das: „Wir sind gerade in der Nähe des Ernst-Reuter-Platzes, also schickt man eine Nachricht an den Ernst-Reuter-Platz und jeder, der sich für diesen Ort interessiert oder gerade hier ist, erhält diese Nachricht.“ Solche Nachrichten könnten vor allem für Erstsemester wertvoll sein, „denn wenn sie in ein Gebäude gehen, erfahren sie, in welchem Raum welche Vorlesung stattfindet.“
In der Nähe des Ernst-Reuter-Platzes, hinter der Marchbrücke, befindet sich sein Büro. Darin befinden sich eine kleine Sitzecke und drei Schreibtische, an den Wänden kleben vereinzelt kleine Poster, auf seinem Schreibtisch liegt ein bunter Notizblock, sehr klein, dennoch einer der wenigen Farbtupfer in diesem Raum. Hier erzählt er mir auch, dass er sich schon immer für Politik interessiert hat. Mit 14 hat er bereits das politische Wochenmagazin Der Spiegel abonniert. Die deutsche Tages- und Lokalpolitik beschäftigt ihn, aber stört ihn auch, beispielsweise weil „das große Berlin und Brandenburg nicht in der Lage sind, einen Flughafen zu bauen.“
Ohne Selbstbestimmung, keine Selbstverantwortung
Auch in der kosovarischen Politik gibt es viel, das ihn stört: Das ehemalige Staatseigentum werde „rausgehauen“, denn die Leute, die gerade in der Regierung sind, wollen sich möglichst viel Geld „unter den Nagel zu reißen“. Wenn er von diesen Dingen erzählt, wird seine ruhige Stimme etwas kräftiger, stärker, vorwurfsvoller. Diese Wut ist es, aus der sein Engagement für die politische Bewegung Bewegung Vetëvendosje! (Selbstbestimmung!) entspringt. „Um es mit Joachim Gaucks Worten zu sagen“, fährt er auf einmal fort, reibt sich die Stirn und überlegt noch einmal, wie Gaucks Aussage genau lautete. Nämlich: „Nur bei der Annahme von Selbstbestimmung kann es auch Selbstverantwortung geben.“ Es ist nicht das einzige Mal, dass er deutsche Politiker zitiert und auf den Kosovo Bezug nimmt. Es scheint selbstverständlich, dass diese zwei Welten für ihn zusammengehören.
Eine ‘68er Bewegung für den Kosovo
Ganz kritikfrei ist allerdings auch Vetëvendosje! nicht. Der Bewegung wird vorgehalten, dass es bei Demonstrationen immer wieder zu Ausschreitungen kommt. „Ich will das nicht schönreden“, sagt Bersant, aber für ihn sind Demonstrationen und Proteste „legitime Mittel, die unsere demokratischen Strukturen zusammenhalten.“ Außerdem sei sie den deutschen Studentenbewegungen von 1968 ähnlich, da auch Vetëvendosje! die „Strukturen des Polizeistaates“ aufbrechen will, die sie seit dem Krieg etabliert sieht. Er streckt die rechte Hand in Richtung Tisch aus und lässt sie an der Tischkante entlang streifen, überlegt kurz und sagt schließlich: „Selbstbestimmung ist ein starkes Wort.“ Das ist die zentrale Forderung dieser Bewegung, die weder der „korrupten Regierung“, noch der internationalen Gemeinschaft, die im Kosovo für rechtsstaatliche Strukturen sorgen soll, zugesteht, dem kosovarischen Volk vorzuschreiben, wie der Kosovo aussehen soll.
Für den Kosovo wünscht sich Bersant einen Umbruch, weil es noch zu viel gibt, was „nicht funktioniert.“ Er hofft, dass die nächsten Wahlen „in eine richtige Richtung ausschlagen“ und meint wohl mehr Stimmen für diese Bewegung, die erst seit 2010 im Parlament vertreten ist, aber seit 2005 besteht. An der Spitze des Kosovos soll eine kompetente und fähige Regierung stehen, sagt er, deshalb sei er der politischen Opposition beigetreten. „Wenn wir keinen Beitrag leisten, wer dann?“. Diese Frage versieht er wieder mit einem Lächeln und diesmal ist auch sein Blick freundlich.
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