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Jan 172013
 

Ein Kommentar von Ferhat Epik

Nun ist es soweit. Die Bundesländer haben einstimmig beschlossen, mit dem ihnen vorliegenden Material vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen, um ein NPD-Verbot durchzusetzen.

Hurra, endlich keine Rechtsextremen mehr… Denkste !

Der Zeitpunkt kam nicht von ungefähr. Die Entscheidung für ein erneutes Verbotsverfahren fiel in eine günstige Zei: Kurz vor Beginn des Wahljahres 2013 und den Feiertagen war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die bundesrepublikanische Öffentlichkeit der Neuigkeit kaum Beachtung schenkt. Versäumt wurde so allerdings die Chance, einen ernsthaften gesellschaftlichen Diskurs über das Rechtsextremismusproblem zu führen.

Dabei ist die Situation mehr als beunruhigend. Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat erst kürzlich festgestellt, dass in Ostdeutschland 39 % der Bevölkerung manifest ausländerfeindlich denkt. Im  Westen hat immerhin jeder fünfte Bürger eine ausländerfeindliche Grundeinstellung. Die Skandale um den Nationalsozialistischen Untergrund haben daran offensichtlich nichts geändert. Kommunalpolitiker und Landesregierungen kehren die Probleme seit Jahren unter den Teppich. Die Stiftung hat mit ihrer Untersuchung genau dort Missstände offengelegt, wo das Thema am meisten totgeschwiegen wird, wo Verantwortliche Probleme weiterhin ignorieren oder leugnen.

Dabei müsste die Folgerung sein: Wir haben ein Rechtsextremismusproblem, und zwar ein gewaltiges! Die einzige Möglichkeit, dagegen anzugehen, ist eine starke Zivilbevölkerung, die in der Lage ist, Rassismus als solchen zu entlarven und zu benennen und mit demokratischen Mitteln zu bekämpfen, wo immer es geht. Aber eben diese Zivilbevölkerung scheint in manchen Gegenden unseres Landes buchstäblich braun unterwandert zu sein.

Anstatt hier anzusetzen, versuchen die Länder sich hinter einem erneuten Verbotsverfahren zu verstecken. Es werden die Symptome bekämpft, nicht aber ihre Ursachen. Mit einem Verbot wird sich das Ergebnis der Studie nicht schlagartig ändern. Aber eben das soll das Verbotsverfahren suggerieren. Symbolpolitik statt Realpolitik. Ernstes Engagement gegen Rechts sieht anders aus.

Die Innenminister der Länder werden nicht müde zu betonen, dieses Verfahren sei etwas Besonderes und unterscheide sich von dem im Jahr 2003 in einem wesentlichen Punkt. Diesmal beruhten die Informationen nicht auf Aussagen von V-Männern, sondern seien von den Behörden eigens gesammelt worden.

Wozu also – fragt man sich – benötigt es überhaupt V-Männer, wenn Informationen anscheinend auch ohne beschafft werden können?

Die Innenminister entlarven damit die Sinnfreiheit dieser Einrichtung, die nur noch durch die Islamisten-Angst in der Bevölkerung gerechtfertigt zu werden scheint. Denn auf dieser Welle lässt sich gut reiten. Es gilt zu beobachten, ob die Ersatzbefriedigung der Innenminister erfolgreich sein wird.

Ich wage eine Prognose: Das Verbot wird gelingen, tagelang werden sich die Innenminister gegenseitig auf die Schultern klopfen, die Medien machen munter mit. Die 39 %, die bleiben trotzdem.

Und dann heißt es wieder: „Rechtsextremismus ? Gibt es nicht ! Die Islamisten sind los.

Das Artikelbild entstand im Rahmen des media4us-Fotowettbewerbs “Zeig’s uns! Kulturelle Vielfalt im Bild”. © media4us, Foto: Paul Huf


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