von Mimoza Troni
Drei Töchter dokumentieren das Leben ihrer Eltern im Ausland und wie sie wieder zurückkehren. Ein Leben zwischen damals und heute, zwischen Vergangenheit und Zukunft. Und die Frage nach der Heimat.
Gastarbeiter, politische oder wirtschaftliche Flüchtlinge – es fallen einem viele Begriffe ein, um Einwanderung zu beschreiben. Und dennoch haben alle Geschichten mit derartigen Hintergründen eines gemeinsam: Das Gefangensein zwischen zwei Leben, zwischen zwei Welten und zwischen Vergangenheit und Zukunft. Dieses „Dazwischen“ wird nun in dem Film „Heimwärts“ von Rita Bakacs, Masayo Kajmura und Graziella Tomasi aufgegriffen. Die drei Regisseurinnen sind die Töchter von Paaren, die eingewandert sind. Nun haben sie eine Dokumentation über ihre Eltern gedreht.
Drei Leben – eine Geschichte?
Ritas Eltern zum Beispiel lebten 22 Jahre in einer deutschen Provinz. Ihre Mutter Àgnes erklärt Rita, dass das Leben in Deutschland eine große Chance war. Gemeinsam mit ihrem Mann Péter hatte sie ihre Heimat, Ungarn, verlassen, um in Deutschland zu arbeiten – aber immer mit dem Gedanken zurückzugehen. Irgendwann. „In Ungarn hättet ihr von euren Deutschkenntnissen profitiert“, sagt Ágnes. Aber dazu kam es nicht, denn die Kinder beendeten ihre Schule und studierten in Deutschland. Also blieben sie hier. Szenenwechsel: Großstadt, Lärm und eine S-Bahn, die gerade am Berliner Alexanderplatz hält. Im Fokus steht Michiko Kajimura, die zusammen mit ihrem jetzigen Mann im Zuge der Studentenbewegung in den 1960er Jahren Japan verließ. Beide waren seitdem politisch aktiv – in Deutschland für die japanische Gesellschaft. Der Vater, Tachiro Kajimura, sagt, sie wollten sich das Leben in Deutschland anschauen, aber sie hatten eigentlich nicht vor hier zu bleiben. Wieder ein Szenenwechsel: Eine idyllische, ländliche Straße in Holland. 1962 kamen Tomasi und Rosetta als Gastarbeiter hierher. „In dieses regnerische Land“, wie sie ihre ersten Eindrücke beschreibt. Sie und ihr Mann verbrachten 40 Jahre in den Niederlanden – und bauten gleichzeitig an ihrem Haus unter der Sonne, um irgendwann dorthin zurückzukehren.
Neugier der Töchter entfacht Erinnerungen der Eltern
Es ist ein persönlicher Dokumentarfilm, dessen Einfachheit überzeugt: Es gibt keine gestellten Szenen, keine Erzählerstimme, die kommentiert, nur eine Kamera, die beobachtet und aufnimmt, wenn die Eltern erzählen. Am Bildschirm läuft die Übersetzung ins Deutsche als Untertitel – man muss also mitlesen, um zu verstehen, was die Eltern sagen. Und dennoch sprechen die Szenen für sich. Sie zeigen den Alltag dreier Familien, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Und dennoch haben sie eines gemeinsam: Die Gedanken schweigen zwischen alter und neuer Heimat. Die Neugier der drei Töchter lässt diese Gedanken laut werden. So unterschiedlich die Anfänge waren, so verschieden enden die drei Migrationsgeschichten. Mehr oder weniger zufriedenstellend.
Die Rückkehr in die Heimat und die Frage nach dem Sinn
Ágnes und Péter kehren zurück nach Ungarn. Mit dem Auto geht es durch halb Europa. Sie hören dabei deutsche Schlagermusik: „Viva Colonia- Wir lieben das Leben, die Liebe und die Lust“ strömt es aus dem Radio und Péter singt mit. Zurück in ihrer Heimat wollen sie sich um ihre alten Mütter kümmern. Als Ágnes Mutter sechs Monate später stirbt, macht sie sich Gedanken: „Früher kamen wir nach Ungarn, um unsere Eltern zu besuchen, nun leben wir ganz alleine hier. Unser Kinder und Enkelkinder sind fast 2000 km entfernt. Was hat das für einen Sinn?“ Für Michiko und Taichiro findet das Leben in Deutschland statt. Müsste sie nach Japan zurückkehren, würde sie sich in eine Zeit von vor 30 bis 50 Jahren zurückversetzt fühlen, sagt Michiko. Und Rosetta lebt in ihrem Haus in Sardinien. Unter der Sonne, unter alten Bekannten. Aber auch alleine, denn ihr Mann ist inzwischen verstorben. Ihre Tochter Graziella holt sie noch einmal zurück nach Holland. Alte Erinnerungen werden wach, wenn sie die alte Nachbarschaft erkunden und ehemalige Nachbarn besuchen. Eine Rückkehr in das alte Leben – für wenige Tage. Schön sei es gewesen, noch einmal würde sie aber nicht hier leben wollen. Sie bleibt lieber daheim.
Heimat also – aber wo ist das? Im Film „Heimwärts“ wird der Zuschauer eingeladen, anhand dreier Lebensgeschichten, unterschiedliche Heimatempfindungen und das innere Dilemma des zeitweisen oder dauerhaften Auswanderns nachzuvollziehen.
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